Wiki-Zauber: Viele neue Paare Augen (Teil 5 von 9)

Prof. Dr. Christian Wagner geht in diesem Gespräch auf die Prinzipien von Wikis ein, die es einer „Masse“ – d.h. auch vielen Amateuren – ermöglichen, ein Produkt von hoher Qualität zu schaffen, wie z.B. Wikipedia.

Die Kernaussagen in dieser Unterhaltung sind:

  • Seit den späten 90er Jahren war das typische Informationsaustauschsystem im Wissensmanagement das Diskussionsforum (Discussion Forum). Da sah man, die Fragestellung fing immer interessant an; dann kam oft noch eine Verständnisfrage, dann kamen gute Antworten. Wenn der Thread, dieser Faden dann länger wird, sagen manche nur „dem stimme ich zu“ oder „das stimmt nicht“. Damit sinkt die Durchschnittsqualität des Fadens im Laufe der Zeit. Die ersten fünf, sechs oder zehn Antworten sind eigentlich hochwertig, danach nimmt die Wertigkeit ab.
    Wenn es einen Moderator gibt, dann hat der im Forum viel Arbeit. Er kann auch nicht unbedingt Sachen herauslöschen aus dem Thread, z.B. Antwort 10, wenn sich Antwort 11 darauf bezieht; dann stimmt das nicht mehr, dann ist der Faden zerbrochen.
    Eine andere leidige Sache ist noch, dass beispielsweise Antwort 11 die Antwort 10 kopiert, um darauf einzugehen.
  • Das war das Schöne an den Wikis. Bei den Wikis gibt es keinen Faden, keine Wiederholung, da gibt es nur eine Antwort. Und wenn jemand die Antwort verbessern will, schreibt er etwas dazu.
    Wenn man dem zustimmen will, kann man es eventuell in eine Diskussionsseite (Talk Page) dazuschreiben. Wenn man etwas ändern will, schreibt man es in den Artikel rein. Damit ist der Artikel in sich selbst von weitaus höherer Qualität als die Durchschnittsqualität eines Diskussionsfadens.
  • Dann kommen natürlich die „Eyeballs“. Das Prinzip erkannte Linus Torvalds, der Erfinder des Linux. Es ging um Software-Fehler. Es ist für einen Softwareentwickler furchtbar schwierig, alle Fehler zu sehen. Einige Fehler finden sich erst nach Jahren.
    Wir alle kennen das, wenn wir einen Artikel schreiben. Nach dem zehnten Mal Durchlesen sehen wir nicht mehr, welche Fehler darin sind. Ein neues Paar Augen kann etwas sehen, was wir nicht mehr sehen. Und viele neue Paare Augen finden die skurrilsten Fehler. Und darum sind viele Paare Augen besser als ein Paar geschulte Augen.
  • Wenn wir auf das Millionärsspiel-Prinzip zurückgehen (siehe: Dass Kollektive Intelligenz funktioniert …): Die Zuschauer wissen nicht alles, sie wissen aber einen Fall, der falsch ist. Im Wiki sehen sie: hier in diesem Spezialfall stimmt der Artikel nicht. Viele Augen, die immer die Spezialfälle, die falsch sind, ausschliessen können, erhöhen damit die Qualität des Produktes.
  • Genial ist, dass man keine E-Mail-Korrespondenz mit dem Autor führen muss, denn zwei Wiki-Prinzipien sind: Sofort Publizieren, d.h. wenn ich den Knopf drücke, kann die Welt das sehen. Damit ist sofort meine Änderung sichtbar und damit änderbar. Und die anderen können wiederum ruck-zuck gleich redigieren. Sofort erhält man Rückmeldung.

Vertiefende Literatur:
Majchrzak, Ann; Wagner, Christian: The Wiki in Your Company: Lessons for Collaborative Knowledge Management. APC (Advanced Practices Council of the Society for Information Management) Sponsored Report, Dec. 2006 (gemäss diesen Angaben: available at no fee through APC Manager  @simnet.org).

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