Editorial zum WissensWert Blog Carnival Nr. 1

Grafikloge WissensWertAus forscherischem Interesse und nicht zuletzt um die allesamt fundierten Beiträge , 15 an der Zahl, entsprechend zu würdigen, habe ich mich mit den Posts eingehend beschäftigt, viele Kommentare dazu geschrieben und möche hier meine Gedanken dazu festhalten. Die Carnival-Frage, und eine Erläuterung dazu, lauteten „Ist Wissensarbeit 2.0 traumhaft oder traumatisch?“ Die WissensWert-Site ist die Heimat der verschiedenen Carnival-Ausgaben; dort sind sowohl die Beiträge verlinkt als auch eine visuelle Zusammenfassung  zu den 15 Posts – eine Wordle Tag Cloud – zu finden.

Über die Vorzüge und Probleme von 2.0-Arbeitstools und -Arbeitspraktiken besteht so grosse Einigkeit, dass ich keine Wiederholung davon gebe möchte, sondern mich darauf beschränke, die Aussagen aufzugreifen, über die ich weiter sinniere.

Für den Überhang an Vorzügen spricht implizit, dass es unter den Antwortenden keine Aussteiger aus dieser Welt gibt, obwohl fast alle davon sprechen, dass es einiges an Selbstdisziplin braucht, sich nicht im Explorations-Modus zu verlieren, sondern seine Arbeitsergebnisse abzuliefern, und obwohl es für viele ein skeptischer Einstieg war, der auch manchmal mehr als einen Anlauf brauchte. Anscheinend bleibt man einfach dabei, weil sich in der Lernphase das persönliche Toolportfolio von selbst herausbildet: Man behält einfach, was zum eigenen Arbeitsstil und den persönlichen Zielen passt, und das zu beweisen gibt man den Tools nicht viel Zeit. Ausnahmen gibt es da auch, wenn man einfach wegen der anderen – oder dem Alpha-Ego – Mitmachen muss.

Melchers Formulierung „… puts information in contexts to people“ finde ich gelungen, und viele andere Beiträge betonen dies auch: Ihr Kontaktnetzwerk sei viel grösser und global geworden; ausserdem übernehme ihr soziales Netzwerk eine wichtige Informationsfilter und -aggregierungsfunktion; das finde ich ist ein Aspekt, der von 2.0-Abstinenten typischerweise nicht unmittelbar erkannt wird.

Die Nutzungskompetenz im Umgang mit den Werkzeugen ist ein wesentlicher Faktor, ob man das Nutzenpotential für sich zur Wirkung bringt. Und Nutzen entsteht ohnehin nur im Prozess und auf der Ebene der persönlichen Wissensverarbeitung, die sich nicht in gleichen Grössenordnungen beschleunigen lässt, wie die Informationsaufnahme und -verbreitung, lesen wir in den Beiträgen. Man kann Werkzeuge richtig aber auch falsch nutzen, und auch die Fähigkeit, die Güte von Informationen aus dem Web einschätzen zu können, muss entwickelt werden, und diese Beurteilung kostet jedesmal Zeit. Dass es einen Lernprozess braucht, scheint allen klar, aber wenn wir schauen, was Unternehmen heute tatsächlich fördern, wofür sich Mitarbeiter Zeit nehmen, dann sagt uns die Realität, dass die Rahmenbedingungen für Kompetenzentwicklung denkbar schlecht sind. Und dabei stehen wir doch erst ganz am Anfang der Entwicklung, wo wir noch auf allen Ebenen viel zu lernen haben.

Lindner bemerkt, dass für die Webaffinen zusätzlich zur Lernarbeit hinzukommt, dass sie jetzt ja zwei Arbeitsstile gleichzeitig betreiben müssen, und dass der Information Overload im Kopf auch daher kommt, dass die Strukturen, in die wir eingebettet sind, noch nicht den neuen Arbeitstechniken entsprechen, die ja viel schneller praktiziert werden als sich Organisationsstrukturen ändern. Andere Carnival-Beiträge fügen dem noch hinzu, dass nicht nur die Techniklandschaft, sonder auch das soziale Umfeld sehr heterogen sind, und für 2.0-Wissensarbeit braucht man ja Mitmacher. Diese Diversität, diese Rahmenbedingungen erzeugen Stress.

Was den Lernprozess angeht, ist in keinem Beitrag zu lesen, dass jemand einen Kurs besucht hätte. Man lernt informell, fragt andere, wurstelt sich durch beim Ausprobieren. Ob Anleitung zur systematischen Exploration als Bildungsangebot auf dem Markt eine Chance hätte?

Also ich will weiter im partizipativen Web dabei bleiben und noch mehr Lernkurven nehmen. Die Lektüre der Beiträge war auch eine; sie brachte ein Fundstück zu einem Thema zu Tage, auf das ich sensibilisiert bin (ja, dass ich mir dafür Zeit nahm, läuft unter mangelnde Disziplin und Lost-in-Cyberspace): Teemu Arenas Gedanken aufzugreifen, wie die traditionellen Konferenzen und Veranstaltungen attraktiver werden, war den Ausflug wohl wert: Merken Sie sich Events++.

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