Mitmach-Web: Woher die Zeit nehmen, wenn nicht stehlen?

Clay Shirkey, Autor des Buchs „Here Comes Everybody„, beantwortet in einer Keynote-Rede sehr anschaulich und vergnüglich zwei Fragen zur 2.0-Bewegung, die uns alle begegnen und bewegen:

  • Woher nehmen die Leute die Zeit, um Informationen und Wissen beizutragen und zu teilen?
  • Ist dieser ganze Rummel um das „Mitmach Web“, das Web 2.0, nicht eine Mode, eine vorübergehende Spielerei?

Aus seinem Vortrag auf der Web 2.0 Expo, SF 2008, machen mir die hier herausgesuchten Aussagen Eindruck, und so empfehle ich diese Passagen der knapp 20-minütigen Aufzeichnung zum Anschauen und Anhören:

  • The size of the available cognitive surplus is very large:
    (ca. Min. 5) „Time comes from the cognitive surplus you (Anmerkung: TV) have been masking for 50 years.“ Dies ist seine Antwort auf die erste Frage, die jemand vom Fernsehen an ihn stellte. Er führt an, dass allein in USA 200 Milliarden Stunden pro Jahr Ferngesehen würde, und dass Wikipedia etwa 100 Millionen „Hours of Thought“ enthielte. Schliesslich rechnet er vor (ca. Min 12:50), dass wenn nur 1 % des weltweiten Fernsehkonsums für das Mitmach-Web verwendet würde, dies 10.000 Wikipedia-Projekten pro Jahr entspräche. Ich finde auch, das ist Viel für Wenig. (Kleiner persönlicher Exkurs: Wenn ich 1% meines Fernsehkonsums umwidme, dann kommt nicht viel fürs Web-2.0 heraus :-)) )
  • Das Mitmach-Web stellt einen Umbruch, eine Transformation dar, in einer noch sehr frühen Phase („A big one-time shift“):
    (ca. Min. 14:50) Die Geschichte von einer Vierjährigen, die ganz intuitiv hinter den Fernsehbildschirm schaut, nicht um nach den Personen im Film zu suchen, sondern nach der Maus, fasst er in das Fazit: „A screen that ships without a mouse, ships broken“. Oder, wie er vorher als Ratschlag an alle Medien formuliert (ca. Min. 11): „Hold out an invitation for participation“.
    Gut formuliert finde ich auch noch die Charakterisierung dessen, was zur Zeit in dieser frühen Phase des Experimentierens mit Anwendungen in Web-2.0-Kultur vor sich geht und welche Einstellung man dazu haben sollte. (ca. Min. 7:30) „You just try lots and lots and lots of things. You hope that everybody who fails, fails informatively.“ Also, da kann man doch nur jedem sagen: Los gehts !!

Microblogging – Wenn man die Blogstille kaum aushält: Tweet, tweet, …

Microblogging and Social Networking ToolDas Wesen meines Wissensblogs verträgt Ferien, Stillephasen. Eine solche geht gerade zu Ende. Nur, kann man es so lange ohne Bloggen aushalten? Vermutlich nicht, wenn man erst einmal damit begonnen hat. Für das „Zwischendurch“ bediene ich mich des sogenannten Microblogging mit Twitter. Da zwitschere ich mehr oder weniger Belangloses vor mich hin. Posts in Twitter sind maximal 140 Zeichen lang und man nennt sie „Tweets„, so wie das Zwitschern von Vögeln. Wer Blogposts von mir als beinahe tägliche Informationsdosis nutzen möchte, kann mir folgen (Find&Follow; Andrea Back), so wird in Twitter das Abonnieren der Microblogposts bezeichnet. Social Networking ist übrigens im Doppelpack gleich mit dabei. Und vielleicht machen Sie ja sogar selbst beim Bloggen mit; immerhin ist Twitter eines der Lieblingstools von Wissensarbeitern, jedenfalls von denen, die sich in Jane Harts laufender Umfrage zu Top 100 Tools dazu äussern; es ist gegenüber 2007 unter die ersten 20 Plätze vorgerückt. Man wird davon noch hören (z.B. Seesmic + Twhirl is a Vision of the Web’s Future), denn es ist auch eine Plattform für Mobile Blogging, und die mobilen Web-Anwendungen steht vor einer explosiven Entwicklung.

Mobile Tagging mit QR-Codes auf den Jahreswechsel-Grüssen: Die Auflösung

QR-Code Weihnachtskarte 2007QR-Code Neues Jahr 2008

Die Quick-Response-Codes (QR-Codes) zählt Chip Online zu den Techniktrends des Jahres 2008. Quick Response Codes sind in Japan Alltag, hierzulande sieht man sie erst allmählich, vielleicht als Kunde der SBB, die damit experimentiert, oder wer mit dem PostAuto fährt. Man spricht von Mobile Tagging, weil diese Codes im Prinzip wie ein aufgedruckter 2D-Barcode funktionieren; mit dem Handy-Auge als Scanner wird der Code gelesen und die hinterlegten Informationen abgerufen. Z.B. kann man so eine Website abrufen, ohne lange eine Adresse eintippen zu müssen.

Weihnachtskarte 2007Die oben abgebildeten QR-Codes zierten meine Grusskarten für letzte Weihnachten und die Grüsse zum Jahreswechsel, die auch auf diesen Business20-Blog aufmerksam machten. Die QR-Codes waren als Test gedacht, welche Reaktionen wohl kommen. Von etwa hundert Adressaten, denen ich die Karte mit handschriftlichen Zeilen, aber ohne ein Wort zu den Codes zu verlieren, geschickt habe, hat sich keine einzige Person dazu geäussert. Nur einer meiner Studenten, der die Karte zufällig sah, erkundigte sich, was das zu bedeuten habe. Das heisst, entweder kennt es jeder oder fast keiner. Fazit, das Experiment mit Quick-Response-Codes blieb ohne Response. Doch falls jemand wieder einmal so ein komisches „Ding“ sieht, sorgt der Wiedererkennungseffekt vielleicht dafür, dass die Reizschwelle ereicht ist und die Person wissen will, was es damit auf sich hat, und eigene Ideen entwickelt, geschäftliche natürlich am besten.  Code-Generator und Reader gibt es übrigens bei Kaywa.

Und hier noch die Auflösung zu oben:

  • Geruhsame Tage zwischen den Jahren und alles Gute für 2008, wünscht Ihnen Andrea Back. Schauen Sie mal rein: www.BackonTheFuture.com
  • Ihnen ein 2.0-dynamisches Neues Jahr, möge Ihnen das Glück immer dahin vorauseilen, wo Sie es suchen

Web 2.0 Einfachheit: Steht überall drauf, ist aber nicht überall drin

Einfach, benutzungsfreundlich und niegrige Einstiegsbarrieren, das wird meist als selbstverständliche Eigenschaft angenommen, wenn von Web-2.0 und Social Software die Rede ist.

Mir kamen jedoch Zweifel, ob das zur Definition von Social Software in Unternehmen dazu gehören sollte (bin gerade bei der Überarbeitung des Abschnitts „Begriffsverständnis“ für das bald erscheinende Buch Web 2.0 in der Unternehmenspraxis). Ich habe es weggelassen. Denn es steht zwar sozusagen überall drauf, weil man annimmt, es läge in der Natur von Web-2.0-Anwendungen, aber bei näherem Hinsehen ist es eben doch nicht überall drin. Haben Sie auch diese Erfahrung gemacht? Zwei von den Mitautoren des Buchs, Prof. Dr. Michael Koch und Karsten Ehms, haben mich in dieser Aussage soweit bestätigt, dass es mir einen Blogpost wert erschien.

In der Praxis zeigt sich, dass keineswegs alle Anwender z.B. Wikis – trotz Wysiwyg-Editoren – leicht zu bedienen finden. Und bestimmt geht es vielen wie mir, dass auch eine psychologische Einstiegsbarriere zu überwinden ist: Einen halben Tag habe ich bereits darauf verwendet, meinen Vorsatz umzusetzen, den Wikipedia-Artikel „Social Software“ zu ergänzen. Wie das geht und wie man sich benimmt, das hatte ich mir in der Lesezeit schon angeeignet, nur fühlt es sich so an, als würde man in ein besetztes Territorium der bisher aktiven Autoren eindringen, und von dieser „Metapher“ durchdrungen, habe ich den Mut dann doch nicht aufgebracht, in die Tasten zu greifen – obwohl es ja die Diskussionsseiten gibt.

Und noch ein Beispiel für Blogs, die als viel einfacher gelten im Vergleich zu Wikis. Wenn Sie den Entwicklungsstand meines Blogdesigns im Hinblick auf technische Features betrachten, stellen Sie fest, dass selbst ein williger und beinahe Power-User eine ausgedehnte Lernkurve zu nehmen hat, um auf der Höhe der Kunst zu sein. Nie wieder werde ich mit gleicher Inbrunst meinen Studierenden sagen, Bloggen sei soooo einfach.

Der Usability-Experte Nielsen mahnt in „Web 2.0 Can Be Dangerous …„, dass man mit zu vielen technischen Web-2.0-Elementen des Guten auch zu viel tun kann. Wenn man sich mit Web-basierten Oberflächen in Richtung der Komplexität von herkömmlichen Geschäftsapplikationen bewegt, dann nimmt man genau das weg, womit Weboberflächen in der Breite so erfolgreich geworden sind, mit ihrer Einfachheit durch wenige Design- und Bedienkonzepte.

Niedrige Einstiegsbarrieren sind schon gegeben, wenn man auf einen extern gehosteten Webdienst zugreifen kann, der auch noch lizenzfrei ist. Beim Einsatz im Unternehmen gibt es aber Sicherheitsinteressen und rechtliche Vorgaben zu bedenken, so dass eine Balance zwischen freier und kontrollierter Nutzung gefunden werden muss. Wenn langwierige Abstimmungen mit IT-Bereichen, die Installation zusätzlicher Arbeitsplatzsoftware oder formelle Schulungsmassnahmen notwendig sind, behindert dies das Mitmachen im „Mitmach-Web“. So niedrig, wie man es von der privaten Nutzung einiger Web-2.0-Dienste kennt, sind die Einstiegsbarrieren – gerade im Unternehmen – dann doch nicht.