Nicht die Infoflut stresst, nur die Qual der Wahl

Grafikloge WissensWertIn der WissensWert-Ausgabe 18 wird die Frage gestellt: „Wie gehen wir mit dem Information Overload um?“ Dieses Thema gibt mir regelmässig Anlass zur Selbstreflektion.

Den «Information Overload» nehme ich wahr als Vielfalt der verfügbaren
– Informationsquellen (z.B. Slideshare, Youtube, Scribd und Blogs),
– Kommunikationskanäle (z.B. Twitter, Quora, Skype, Xing) und weiteren
– Arbeitswerkzeuge (z.B. Social Bookmarking, eigene Fachblogs, Projekträume, Web-Conferencing).

Die eigentliche Informationsfülle stresst mich eher nicht, genausowenig wie das Überangebot an Produkten im Supermarkt, die Vielfalt der Fachzeitschriften am Kiosk oder die Überzahl der Fernsehprogramme. Ich nehme die Tatsache gelassen, mit jeder Entscheidung für eine Option all die anderen Möglichkeiten zu verpassen.

Stressfaktoren?
Manchmal überfallen mich Ungeduld und Unruhe, weil ich noch nicht am Ende meiner Überlegungen angekommen bin, was ich für meine Arbeit wirklich dauerhaft brauchen will. Nach wie vor probiere ich immer mal wieder Neues aus, um mir ein Urteil zu bilden und an der dynamischen Weiterentwicklung dranzubleiben. Durch diesen explorativen Umgang mit den neuen Medien hat sich viel angesammelt. Wenn man seine Content-Plattformen, Kommunikationskanäle und andere Tools nicht regelmässig konsolidiert – sprich ausmistet – , dann können sich die Vorteile ins Gegenteil verkehren und zum Produktivitätshemmnis werden.

Gefahren?
Vor der Gefahr der Verzettelung bewahrt mich die Art meiner Aufgaben und Arbeitsorganisation: Zu fest zugesagten Terminen sind Ergebnisse zu liefern, und die gilt es einzuhalten und die Rangordnung ist klar: Erst Task, dann Tools. Das setzt dem Auskundschaften neuer Medien und dem „Lost-in-Social-Media-Space-Syndrom“ natürliche Grenzen.
Sorgen mache ich mir eher im Zusammenhang mit diesen beiden Beobachtungen. Zum einen werde ich immer ungeduldiger mit Leuten, die noch nach „alter Schule“ digital arbeiten und kommunizieren, d.h. neben Googeln und E-Mail im besten Fall noch geteilte Dateiverzeichnisse kennen. Innerlich habe ich schon den Vorsatz gefasst, Projekte mit Teams abzulehnen, die mich zwingen, auf umständliche Art zusammenzuarbeiten. Zum anderen stelle ich fest, dass ich die durch produktivere Erledigung meiner Informations- und Wissensarbeit gewonnene Zeit mit zusätzlichen Projekten fülle, die ich auch wieder mit dem Konvolut meiner neuen Werkzeuge bearbeite. Das führt zu starker Arbeitsverdichtung, die den Trend, sich durch zu viel des Vielen zu erschöpfen noch verstärkt. Wir brauchen einen inneren – und wohl auch äusseren – Gewerkschafter, der sich dafür einsetzt, dass der Produktiviätsfortschritt nicht nur der Mehrarbeit zugute kommt. Und der Gewerkschafter heisst Selbstkompetenz.