Lightweight and Scalable: Virales Marketing und Automatisierung

Jörg Eugster, Geschäftsführer der OPAG Online Promotion AG, erläutert in dieser Episode, dass man mit wenig Kapital und Ressourcen in Internet-Geschäftsmodellen etwas erreichen kann. An seinen Beispielen werden die verschiedenen Aspekte des Web-2.0-Prinzips „Lightweight Models and Cost-Effective Scalability“ deutlich; die Taktik des Viralmarketings (auch User-driven Marketing oder Marketing 2.0 genannt) befördert durch den Netzwerkeffekt* das Geschäftswachstum.

  • Lightweight Business Models
    Webcams.travel
    haben wir in einigen wenigen Monaten programmiert; das ist zu einem Selbstläufer geworden, der Netzwerkeffekt beginnt jetzt zu greifen. Durch unsere Präsenz auf vielen Web-Plattformen – weil wir den Content eben gratis weitergeben – entsteht eine gewisse virale Verbreitung.
    Auf der technischen Ebene ist es definitiv nicht teuer: Ich muss keine eigene Hardware haben, ich kann mit einer Website starten wo ich nur eingemietet bin. Auch für die Applikationsentwicklung muss man keine Millionenbeträge investieren. Wo man als Start-up am meisten invetieren muss, ist im Bereich Marketing.Vor zehn Jahren hatten wir in einem Internet-Start-up für die IT ein Budget von 2 Mio; der Marketingleiter hatte ein Budget von 10 Mio. Das Schwierige ist, dass man überhaupt wahrgenommen wird. Das ist aufwendig.
  • Viralmarketing-Effekte
    Wenn wir das Beispiel SwissWebcams nehmen, dann hatten wir da das virale Marketing: Wir haben den Benutzern gesagt, wir tragen dich gratis ein, und es würde uns sehr freuen, wenn du uns einen Link setzt. Das ist wie eine persönliche Empfehlung, wenn ich einen Link irgendwohin erstelle; das hat dazu geführt, dass wir so viele Backlinks haben, dass wir in der Schweiz mit dem Suchbegriff „Webcams“ bei Google DIE Instanz sind.
  • Zeit bis zur Bekanntheit
    Ich denke, das dauert schon so drei Jahre. Als wir im Radio das erste Mal in DRS3 als Tipp des Tages erwähnt wurden, dann merkte man: Jetzt ist man wahrgenommen worden. Dann geht es Schritt für Schritt weiter. Es gibt wenige Beispiele, die über Nacht zum boomenden Unternehmen werden, das sind die Ausnahmen.
  • Skalierbarkeit und Wachstumsverlauf
    Das Wachstum ist eher treppenartig, ist meine Erfahrung. Dann hat man den Eindruck, jetzt bewegt sich nichts mehr, und plötzlich geht es wieder eine Stufe nach oben. Es ist manchmal nicht nachvollziehbar woher. Man erscheint z.B. in den Medien, das hilft. Webcams.travel ist mit dem weltweiten Ansatz unsere skalierbare Antwort, denn der Markt für SwissWebcams ist begrenzt. Wo man dann Zusatzkosten hat, ist auf der Hardwareseite, aber das kostet heute nicht Unmengen.
  • Leightweight hinsichtlich Personalressourcen
    Wir haben das Hobbystadium vor etwa zwei Jahren verlassen. Wir sind ein sehr kleines Team von vier Personen. Wir haben eine sehr hohe Automatisierung erreicht. Jeden Monat verschicken wir einen Topin.travel-Newsletter, dieser wird 100% automatisch generiert. Andere Firmen beschäftigen jemand, der zwei Tage den Newsletter zusammenträgt und individuell schreibt. Die Kennzahlen für den in 2009 erwarteten Traffic wurden gegenüber den im Interview genannten Zahlen (50 bis 60 Mio Zugriffe) mit 75 Mio Seitenzugriffen (Page Impressions) sogar noch übertroffen.

*Weitere Erfahrungen mit dem Netzwerkeffekt hier in dieser Ausgabe des WissensWert Blog Carnival

Pervasive, above the Level of a Single Device (Web-2.0-Prinzip): Gratis die iPhone App dazu

Ein weiteres der acht Web 2.0 Prinzipien (vgl.  Einladungspost zu dieser bis Februar laufenden Case-Friday Vlog-Serie) veranschaulicht Jörg Eugster, Geschäftsführer der OPAG Online Promotion AG, in diesem Gesprächsausschnitt, und zwar das Prinzip: „Software Above the Level of a Single Device“. O’Reilly griff diesen 2003 von einem Microsoft-Mitarbeiter geprägten Ausdruck auf, um die Bedeutung der mobilen Devices als Web-Client, die zum PC-Endgerät dazukommen, herauszustreichen; seine Sicht von Ende 2007 erläutert und diskutiert er hier.

Im Video berichtet J. Eugster von einer Gratis-iPhone-App, die Andreas Linde (aus der offenen Entwickler-Community) programmiert hat und die sich in Windeseile verbreitete. Wieder ist von Erlösmodellen die Rede, wenn nun über den Content hinaus sogar die mobile Anwendung dazu erst mal gratis ist. Und schliesslich hören wir von Ideen, warum Webcam-Daten in der mobilen Nutzung ein eigener Mehrwert zukommt.

Hier sinngemäss einige Kernaussagen:

  • Wir stellen die Inhalte gratis über das API zur Verfügung. Ein Deutscher, Andreas Linde, hat eine iPhone App nur mit unserem Content gemacht. Die Anwendung ist supereinfach zu bedienen: Ich sage „Webcams in der Umgebung“ … und kann sie dann durchzappen. Das erstaunliche ist, es ist eine Gratis-App, die ist über 700 000 Mal in weniger als einem Jahr heruntergeladen worden. Wir haben von dieser Applikation täglich eine halbe Million Requests auf unseren Server: täglich! (Auskunft von Juni 2009).
  • Wir haben noch kein Geschäftsmodell dafür.
    Wir Internetler funktionieren anders: Wir wissen, es braucht eine gewisse Entwicklungszeit, erst dann kann man Umsatz dafür machen. Was der Kunde nicht kennt, bucht er nicht. D.h. es braucht eine gewisse Zeit bis es im Markt etabliert ist. SwissWebcams hat etwa fünf Jahre gebraucht, bis die Werbekunden das wahrgenommen haben.
  • Nicht alle Inhalte machen Sinn für das mobile Dabeihaben. Die Frage ist: Macht eine Webcam Sinn? Ein kleines Beispiel: Es gibt auch Webcams an Strassen, an Autobahnen. Ich kann die Webams auf meinem Nach-Hause-Weg als Favoriten speichern und kann bevor ich abfahre schnell durchzappen: Wie ist der Verkehr dort? Ein anderes Beispiel ist, dass ich das aufs Navi bringe.
    Wir haben die meisten Zugriffe auf SwissWebcams wenn schlechtes Wetter ist: Nebel, Hochwasser, Schnee.


Data at the Core (Web-2.0-Prinzip): Daten plus Mehrwert, dann AdSense und Banner

Das zweite in dieser  Case-Friday Vlog-Serie behandelte Web-2.0-Prinzip (vgl. Einladungspost) wird auch «Data is the Next „Intel Inside„» genannt.

Im diesem knapp 10-minütigen Gesprächsabschnitt mit Jörg Eugster, Geschäftsführer der OPAG Online Promotion AG, erfahren wir am Beispiel des Web-Dienstes Webcams.travel, wie die Daten, in diesem Fall Webcam-Standbilder, mit Mehrwert versehen werden, um die Grundlage für Erlöse durch Werbeeinnahmen zu bilden. Im zweiten Teil des Videos erklärt Eugster das Erlösmodell, u.a. wie Google AdSense funktioniert. Schliesslich wird auch deutlich, wie der Netzwerkeffekt zum Tragen kommt: Je mehr Leute Inhalte beitragen und die Anwendung nutzen, umso wertvoller wird die Zusammenstellung der Daten. Der Webdienst versteht sich als Webcam-Community im Geist des Mitmach-Web, und nicht als Portal, das Inhalte nur 1:n, d.h. von einem Publisher an viele Nutzer distribuieren würde.

Einige Kernaussagen seien hier sinngemäss wiedergegeben:

  • Content Aggregation
    Jeder kann seine Webcam anmelden. Wir nehmen Content gratis auf, und jeder kann von uns Webcams gratis beziehen für sein eigenes Portal; die Standbilder sind max. drei Stunden alt. Z.B. ist Google unser grösster Partner: Alle Webcams sieht man auf Google Earth am richtigen Ort.
  • Qualitätssicherung als Mehrwert
    Es kommt dazu, die Qualität zu überwachen. Wenn eine Webcam aussteigt, dann gibt es keine aktuellen Bilder mehr – ein Bild von Panoramio dagegen verändert sich nie. Wir hatten auch schon Nutzer, die haben Webcams angemeldet und der Standort stimmte nicht. Bei uns kann die Community an der Qualitätskontrolle teilhaben, es gibt aber auch eine automatisierte technische Kontrolle.
  • Erlösmodell
    Wenn man etwas Neues in die Welt setzt, dann wird es zuerst quersubventioniert vom anderen Geschäftsmodell. Mit Topin.travel machen wir schon Umsatz – wir verkaufen dort Einträge.
    Webcams.travel hat sehr viel Traffic; je mehr Traffic man hat, umso relevanter ist man, um Werbung zu verkaufen. Man rechnet mit dem Tausend-Kontakt-Preis (TKM). Wir haben Google AdSense einen Werbeplatz zur Verfügung gestellt. Wir machen bei uns etwa einen Dollar pro Tausend Einblendungen; es gibt Communities, die machen fünf Cents. Langfristig ist es interessanter, wenn man Bannerwerbung platzieren kann; dann sprechen wir von fünf bis 100 CHF.


P.S.: Vgl. auch den Post „Google Admits «Data is the „Intel Inside »

Perpetual Beta: Beim Start noch nicht perfekt (Teil 2 von 9)

Das neue Jahr hat an einem Vollmond-Freitag hier perfekt begonnen. Wenn man ein Web-Business nach dem 2.0 Paradigma beginnt, muss es beim Start nicht perfekt sein, denn da gilt das Prinzip „Perpetual Beta„. Wie im Einladungspost zu dieser bis Februar laufenden Case-Friday Vlog-Serie beschrieben, geht es im Gespräch mit Jörg Eugster, Geschäftsführer der OPAG Online Promotion AG, darum, am Beispiel seiner Internet-Geschäftsmodelle den acht Web 2.0 Prinzipien auf die Spur zu kommen.

Auf der Perpetual-Beta-Karteikarte steht: emergent – release early and often – open co-development. Jürg Eugster veranschaulicht diese Stichworte wie folgt (Anm.: sinngemäss zitiert):

Logo mit Hinweis "Beta"

Immer klein und unvollständig angefangen

  • Als wir gestartet sind, wussten wir, das ist noch nicht perfekt. Webcams.travel nennen Wir Webcam-Community, und dort steht explizit „Beta“ drauf. Die Ziel-Anzahl von Webcams, das kommt mit der Zeit. Wir sind permanent in der Beta-Version, denn Kunden schreiben uns: Hey, das wäre doch eine coole Funktion, oder wir vermissen etwas. Es entsteht etwas und wird immer grösser.
  • Das Portal ist in vielen Sprachen verfügbar. Wir haben x Sprachen, die von Benutzern für uns gratis übersetzt wurden.

Kritische Masse

  • Ganz am Anfang hatte Topin 30-40 Webcams und war erfolgreich.
  • Bei SwissWebcams hatten wir relativ rasch 200 Webcams, was wir als kritische Masse angesehen haben. Heute ist das ein Selbstläufer.
  • Anfangs hatten wir bei Webcams.travel 2000, zwei Jahre später schon 10.000 Webcams. Was es braucht, dass der Benutzer das als eine wertvolle Site anschaut, ist eine zentrale Frage, aber schwer zu beantworten.

Beta hat den Beigeschmack von fehlerhaft

  • (zu seinen früheren KMU-Erfahrungen) Mit unserem Schweizer Perfektionismus, da musste alles perfekt sein, dafür ist es halt ein Jahr später herausgekommen.
  • Im Web ist Geschwindigkeit (time-to-market) sehr wichtig, lieber mal etwas bringen, das nicht perfekt ist: 80% genügt schon. Das entwickelt sich dann selber weiter, denn die Leute haben Anteil, sie schreiben uns.
  • Wenn uns jemand gratis eine Übersetzung macht, dann sagen die Leute sofort: „Aber die Qualität!“ Das korrigiert sich jedoch selber. Zum Beispiel: Es kamen aus der ganzen Welt Mails: Euer Spanisch ist ein bisschen komisch. Und dann einmal hat jemand die Übersetzung für uns gemacht.