Von ganzen, halbstarken und Microwikis (WissensWert Blog Carnival Nr. 7)

Grafikloge WissensWertIn der Ausgabe 7 des WissensWert Blog Carnival wird gefragt, wozu Wikis dienen und was Wikis überhaupt bringen.

Als ich mir darüber Gedanken machte, fiel mir ein Wiki nach dem anderen ein, das ich regelmässig benutze, ohne immer gleich „Wiki“ zu denken.

Bei mir sind nämlich drei verschiedene Sorten im Einsatz:
 

  • Eintagsfliegenwikis oder Microwikis

Für die Wiki-Way-Arbeit an Inhalten, die nur ein einzelnes Dokument sind (z.B. eine Tabelle oder ein Text) benutze ich „Text & Tabellen“ von Google. Mir fiel dafür die Analogie zur „Eintagsfliege“ ein, denn diese sind lebenig, aber meist nur kurze Zeit. Zwei Text-Wikis habe ich gerade eröffnet, um einen gemeinsamen Forschungsantrag zu schreiben, eines für den Antragstext selbst, eines für die Liste der offenen Fragen und To-do’s, so dass man das laufend aktualisieren kann, was geklärt ist. Wenn ich diese Dokumente für Zaungäste mal kurzfristig öffnen will, damit sie Korrekturlesen oder eine Idee oder einen Kommentar beitragen, ist die Freigabe ganz schnell erledigt und ebenso fix auch wieder rückgängig gemacht. Der Wiki-Content ist dann an einem Platz und „unter meiner Kontrolle, auch wenn andere das natürlich kopieren können solange sie Zugriff haben. Die Alternative wäre aber E-Mail, und damit deponiert man den Content ja erst recht auf anderen Rechnern.
Mehrere Tabellen-Wikis habe ich, wenn ich z.B. überschaubar viele persönliche Kontakte gemeinsam mit anderen sammle und verwalte, die wir für einen Event persönlich ansprechen wollen. Das ist dann also eine Art Micro-CRM-Anwendung. Solche Microwikis können aber auch länger leben, wie mein kleines Glossar „Antidenglipedia„, in das jeder, der den Link kennt, reinschreiben und darin lesen kann.
 

  • Halbstarke Wikis

Ganz viel und regelmässig benutzen wir in der Projekt-Kollaborationsplattform Basecamp die Writeboards, die wie einfache Wikis funktionieren. Sie sind recht beschränkt, aber damit lässt sich wirklich leben, denn der Vorteil ist, dass praktisch jeder sie sofort verstehen und ohne Umschweife damit arbeiten kann. Für den E-Learning Newsletter, für den WissensWert Blog Carnival und für die Enterprise 2.0 Fallstudienplattform (Anm.: ein neues Projekt, das im Oktober online gehten wird) machen wir Organisatoren (also das Projektteam) u.a. die Redaktionspläne. Bei Buchprojekten finden sich in den Wiki-Writeboards regelmässig die Autorenrichtlinien und laufend die Sammlung der Tagesordnungspunkte für die nächste Besprechung. Auch Textentwürfe für Websites werden im Wiki „zur Diskussion“ gestellt bzw. bekommen durch mehrere Editoren den Feinschliff. Und schliesslich maile ich meinem studentischen Mitarbeiter nicht mehr die Aufgabenliste, sondern das Posteingangsfach und die Ablage „erledigt“ sind auch ein einzelnes Wiki-Writeboard; die erledigten Aufgaben werden darin einfach nach unten hin-editiert.
All diese Nutzungen sparen gegenüber der Abwicklung mit Dateiablage und E-Mail-Verschickung in so vielen kleinen Arbeits- und Koordinationsprozessen Zeit und Ärger, dass ich mir gar nicht mehr vorstellen kann, wie das anders gehen sollte.
 

  • Ganzes Wiki

Dann gibt es noch für die Mitarbeiter/innen des Lehrstuhls i.w.S ein „richtiges“ Wiki. Es ist ein Mindtouch Deki Wiki. Es wächst langsam aber stetig und löst andere, frühere Formen der Content-Ablage und Bearbeitung allmählich ab. Z.B. laufen alle Meeting-Vorbereitungen (Mitarbeiterbesprechungen) darüber. Pläne wie die Publikationspipeline werden darin verwaltet, auch Regeln und Vorlagen, d.h. Know-how, das für mehrere von Nutzen ist oder Ihnen bekannt sein sollte. Auf dem Weg sind auch schon „Wortmeldungen“ an mich herangetragen worden (z.B. zum Thema Spesen), die sonst nicht ausgesprochen worden wären. Das ist gut so! Auch wenn Antworten nicht immer die erwünschten sind, dann gab es doch einen Er-Klärungsprozess.

Drei Wesensmerkmale, die den Charme dieser Anwendungen in unserer Lehrstuhl-Kleinstbetriebwelt, die aber sehr vernetzt und global ist, ausmachen, fallen mir als erstes ein:

  • Niemanden fragen müssen – sofort umsetzen und loslegen können: Ich kann diese Anwendungen in Bezug auf Nutzer/innen persönlich einfach administrieren, muss niemanden fragen oder bitten; es braucht keine Freigabeverfahren: Wenn ich etwas für eine Zusammenarbeit brauche, richte ich es einfach ein. Diese Rechte haben mehrere in meinem Team.
  • Ein Lesezeichen-Klick und man ist drin in der Anwendung: Obwohl die oben genannten Wiki-Anwendungen verschiedene Softwareprodukte sind, kommt mir alles wie „aus einem Guss“ vor, denn ich nehme je länger je mehr nur noch wahr, dass jede Anwendung eine Website ist, die man mit einem Klick auf einen Weblink startet und die auf diese Weise auch einfach und schnell anderen in die Hand gegeben werden kann.
  • Die Nutzen des Cloud-Computing vorkosten: Mein Vertrauen in die Cloud wurde zumindest bislang nicht enttäuscht. Man kann die quälenden Datensicherungsläufe vergessen, solange jedenfalls wie man auf den Hosting-Anbieter vertraut. Und was im Web ist, kann ich von verschiedenen Orten und mit verschiedenen Devices erreichen; jedenfalls wenn man fast immer Internet-Zugang hat und der Hosting-Service nie ausfällt. Was leider nicht immer der Fall ist – aber meine Wiki-Collaboration-Anwendungen vertragen auch gewisse Auszeiten.

Tutorial zu Blog Carnivals: Diskussionsforum in 2.0-Kultur

Fischernetz (von flickr, bernstrid)

Fischernetz (von flickr, bernstrid)

Sie wollen wissen, was Blog Carnivals (auch Blog Parade) sind, wie man zu einem Fachthema selbst einen Carnival gestaltet und organisiert? Sie wollen Formen des Publizierens und Kommunizierens in Web-2.0-Kultur verstehen, wie man in einer Fachcommunity ein offenes, qualitativ hochstehendes Forum «Meinung & Dialog» gestaltet? Dann sind Sie hier richtig: Im Projektbericht „Blog Carnivals – Von der Idee zur Umsetzung“ auf Calameo sind die Antworten darauf zu lesen.
Auf 40 Seiten werden a) Ziele, Wesensmerkmale und verschiedene Formen von Blog Carnivals dargestellt, b) im Stil eines Handbuchs Gestaltungshinweise für die Implementierung von Blog Carnivals für eine Fachcommunity gegeben, c) ein Beispiel beschrieben – der lebendige WissensWert Blog Carnival – der seit 2009 von Andrea Back, Jochen Robes und wechselnden Beteiligten organisiert wird, und d) ein Glossar beigefügt, damit man sich in der noch jungen Begriffswelt immer orientieren kann.

Von der Idee bis zur aktuell 5. Ausgabe des WissensWert Blog Carnival: Warum Twitterst du eigentlich? ist mehr als ein Jahr vergangen. Der Text „Carnival of the Mobilists“ ist mir beim Bloglesen aufgefallen; dann kam das prinzipielle Verstehen, das Interesse am Selbermachen und der Austausch darüber mit einem Fachkollegen Jochen Robes. Der Gedanke zündete und so ging es mit zwei Studierenden, P. Herzog und M. Hungerbühler, an die laufende Weiterentwicklung der Idee und Umsetzung in „Continuous Beta“-Manier. Ihrer Arbeit ist es im wesentlichen zu verdanken, dass nun sowohl eine Website als auch ein Projektbericht vorliegen.

Das Titelbildfoto „Fischernetz“ hat Bernd Fischer (bernstrid, flickr) zur Verfügung gestellt. Vielen Dank! Die Tags „kaleidoskop“ „fischernetz“ führten da hin. Das Bild illustriert die Wesensmerkmale offene Weite, viele Beteiligte, Vernetzung und gleichzeitig Struktur, Ordnung sowie Organisiertheit viel besser als ein Foto, das zu „Wanderzirkus“ oder „Parade“ gepasst hätte, den Metaphern, die dem für uns missverständlichen Begriff „Carnival“ zugrunde liegen.

WissensWert Blog Carnival Nr. 5: Warum twitterst Du eigentlich? Wegen dem Clou

Grafikloge WissensWertEs ist schon spät, und mir ist gerade nicht nach nutzwert-analytischen Überlegungen zumute, um zur Frage «Warum twitterst Du eigentlich?» meine Antwort zu geben (diese Frage ist Thema der 5. Ausgabe des WissensWert Blog Carnivals, zu der Jochen Robes einlädt). Hier also in freier Assoziation herausgesprudelt Beweggründe, die mir spontan dazu einfallen:

Weil ich gerne Neues ausprobiere – Weil Leute, die mich interessieren, es tun und ich die da antreffe – Weil man nur aus Erfahrung (d.h. Mitmachen) klug wird, und es mich schon lange nicht mehr stört, dass dieser Lernweg meist keine schnurstrackse Zielgerade ist – Weil kurz mal Twittern ein koffeinfreies Ritual zum Warmlaufen für die Arbeit am PC geworden ist – Weil ich wohl ein Familienglucken-Gen in mir trage, so dass ich es gerne habe zu wissen, was mein „Patchwork-Clan“ so macht und wie es denen so geht – Wegen der persönlichen Note: Microbloggen hat einen ähnlichen Effekt wie beim Sport wo man sich „Du“ sagt und so Distanzbarrieren viel niedriger werden – Weil es geistig wach und jung hält – Weil man ohne Zwang, ohne Verpflichtung und Erwartung dabei sein kann – Weil ich auch an der Kaffeemaschine im Büro die Leute frage: Und was beschäftigt dich gerade so? Wie geht’s? – Und, ach ja, natürlich: Wegen der vielen exzellenten inhaltlichen Fundstücke im Gezwitscher der Fachcommunity – Weil ich in die offene Weite eine Frage tippen kann und tatsächlich schon umgehend Antwort bekommen habe – Weil es (wie ein Dessert beim Essen) immer noch Platz in der Arbeitszeit hat, auch wenn man eigentlich schon voll ist – Weil ich denke, bestimmten Leuten habe ich etwas Wertvolles mitzuteilen – Weil ich mit meinen twitternden Externen Doktoranden informell und oft stillschweigend in Kontakt sein kann, auch wenn wir uns nur alle paar Wochen oder Monate persönlich zum Betreuungsgespräch sehen – Weil es so schön menschlich ist, und ich bin auch eine(r) von denen … So, jetzt ist mein Notizzettel vollgeschrieben bis auf einen Satz:

Weil ich das Gefühl habe: Der eigentliche Clou kommt noch, da gibt es noch mehr zu entdecken. Ja, ich twittere (ABack: Following 97, Followers 199, Updates 347, Protected: No) , aber was ich da bislang mache ist nur ein Stäubchen im grossen Twitterversum, hier ins Bild gesetzt von Jess3 & Brian Solis: Twitterverse.

WissensWert Blog Carnival Nr. 4: Netzwerkeffekt-Erlebnisse

Grafikloge WissensWertIn der Ausgabe 4 des WisssensWert Blog Carnival fragt Martin Lindner nach Urerlebnissen mit dem, was man selbst als Netzwerkeffekt versteht. Wir sind eingeladen zu erzählen, ob und wie wir vernetztes Wissen und Lernen schon erfahren haben.

Ganz entgegen seiner Ermunterung, gleich in die Tasten zu greifen, trage ich diese Frage und Gedanken schon seit Tagen mit mir herum. Das liegt vielleicht daran, dass das Beispiel, welches mir sofort dazu einfiel, so spektakulär ist, dass man derartiges wohl nie selbst erleben wird, weil es ist wie über Nacht zum Star einer Talent Show zu werden. Das Paradebeispiel, auf das ich gerne zur Veranschaulichung des Netzwerkeffekts verweise, ist das Video „Web 2.0 … The machine is us/ing us (über 9 Mio Aufrufe, über 21.000 Bewertungs-Klicks) von Online-Ethnologe Michael Wesch. Er erzählt im Vortrag „An Anthropological Introduction to Youtube“ von der Entstehung dieses Videos und seiner unerwarteten viralen Verbreitung, erzählt wie seine Frau und er den Netzwerk-Effekt in Echtzeit – wie einen spannenden Fernsehkrimi –  im Web mitverfolgt haben.

Nun zu meinen Erlebnissen:

  • Vernetztes Wissen und Lernen: Wie ich mich heute bei der Vorbereitung von Lerninhalten für Vorträge und Kurse durchs Netz hangle, ist nicht zu vergleichen mit der einfachen Suche im Web, mit meiner früheren Arbeitsweise. Das eine Blog, das ich zur Zeit in täglicher E-Mail-Zusammenfassung abonniert habe (die anderen per RSS) – führt mich zu anderen Blogposts, so finde ich Websites, Wissens-Wikis, aufgezeichnete Vorträge. Dass ich selbst Slides auf eine Plattform hochlade, präsentiert mir Leute mit ähnlichen Interessen und wiederum deren Kontakte. Ja, so nehme ich mir Inhalte aus deren Füllhorn, und neulich habe ich auch jemanden angemailt und wir werden uns demnächst persönlich treffen. Auch Twitter-Hinweisen von meiner Follow-Community auf Interessantes gehe ich nach. Da sammle ich also die Früchte ein, lege sie in meine verschiedenen digitalen Regalfächer, wo sie der Weiterverwendung harren. Zunehmend merke ich übrigens, dass diese Art des Umgangs, wie ein lebendiges Mindmap zu arbeiten, keineswegs allgemein üblich ist – auch nicht unter Studierenden im Alter der Net Generation. Nein, das ist es nicht, denn mit Überraschung aber oft auch bassem Erstaunen muss ich feststellen, dass ich mit meiner Art und Weise, dem Netz relevante Infos und Wissen zu entlocken, vielen Studierenden weit voraus bin. Das sehe ich oft mit Enttäuschung: Früher habe ich von Studierenden, die Projekt- und Bachelorarbeiten geschrieben haben, zu ihrem Thema viel aus ihrer Arbeit gelernt, heute bekomme ich in manchen Fällen über ein paar gezielten Netz-Recherchen mehr „Substanz“ und Aktuelles.
  • Funken springen über: Neulich kam eine direkte „Twitter-Nachricht“ bei mir rein. Ein Kollege an einer anderen Hochschule liess mich wissen: „Andrea, gerade zeigt eine meiner Studentinnen in ihrer Präsentation eines deiner Vlog-Interviews“. Ein kleiner Funke, aber durchaus ein grosses Erlebnis für einen Hochschullehrer: Dass da noch andere da draussen mit dem eigenen Lehrstoff arbeiten, und man es sogar noch live erfährt, das motiviert und schürt das innere Feuer, damit weiter zu machen.
  • Ungeduld: Netzwerkeffekte brauchen Geduld, sich zu entfalten. Wenn mir Blogger Ajit Jaokar (Vlog Serie Futuretext) nicht gesagt hätte, dass voraussichtlich die ersten sechs Monate, in denen man ein Blog neu anfängt, gar nichts passiert, hätte ich vielleicht zu früh geglaubt, da tut sich nichts mit Netzwerkeffekt. Und Geduld braucht man auch mit seinem Umfeld, mit denen, die noch keinen Fuss in diese vernetzte Welt gesetzt haben. Wie lange wird es dauern, bis diese Leute nicht mehr „Kabel, Computer und Technik“ denken, wenn sie Netzwerk hören? Wann wird auch denen bewusst sein, dass die Zeiten als man noch von Mensch-Maschine-Schnittstelle redete vorbei sind, denn das Web ist ja zu einer Mensch-Mensch-Schnittstelle geworden, so ähnlich wie ja M. Wesch sagte: „The Machine is Us/ing Us„.