Arbeitspraxis 2.0 – Ein heisses Thema im toten Winkel des Managementinteresses?

Auf Anfrage von Goldwyn Reports, einen Artikel zu „Business 2.0“ zu schreiben, habe ich etwas „zu Papier“ gebracht, das mich schon länger beschäftigt und diesen Titel dafür gewählt: Arbeitspraxis Web-2.0: Die Lernkurve von 1.0 nach 2.x kriegen. Nachdem dieses Essay gut drei Wochen online ist, stellt sich heraus, dass es der meistbesuchte Artikel der Februar-Ausgabe ist.

Kontextfaktoren für die Produktivität der Wissensarbeit

Das war eine Überraschung, denn ich dachte ein „Nischenthema“ gewählt zu haben. Meine Aufmerksamkeit gilt schon länger der Produktivität von Wissensarbeitern in Verbindung mit den Chancen und Herausforderungen, die sich angesichts der rasanten Entwicklung der neuen Arbeitswerkzeuge ergeben. Nur ist die sich ändernde Arbeitspraxis von Wissensarbeitern nicht „hype“ in der Enterprise-2.0-Themensphäre; dieses Thema hat in der Praxis keine spürbare Management-Attention. Etwas provokativ schreibe ich in dem Beitrag, dass es „im toten Winkel des Managementinteresses“ sei. Nun scheint das Thema aber doch nicht so ausserhalb des Bewusstseins zu liegen, nur wie lebendig ist es wirklich? Woran, ausser der Klickrate für den Beitrag, lässt sich die Aufmerksamkeit dafür erkennen?

  • Für mich als Wissenschaftlerin wäre Management-Attention spürbar, wenn von mehreren Seiten das Interesse daran nicht nur geäussert, sondern in die Tat umgesetzt würde, in Doktorand(inn)en zu investieren, die zusammen mit den Betroffenen relevante Ergebnisse für die Managementpraxis erarbeiten und/oder das In-die-Tat-Umsetzen forschend begleiten.
  • Für die Leser ist Management-Attention auf zwei Ebenen spürbar: Einerseits, wenn sie sich selbst Aufmerksamkeit schenken, d.h. im Zuge des Selbstmanagements als Wissensarbeiter etwas Neues anpacken. Andererseits, wenn Organisationseinheiten oder Rollenträger, die mit Managementaufgaben betraut sind, diese Überlegungen in ihr Programm aufnehmen und ein förderliches Umfeld für die Entwicklung der Wissensarbeits-Praxis gestalten.

Also schliesse ich mit der neugierigen Frage: Wer liest diesen Artikel und mit welchem persönlichen Interesse? Welche Pläne und Handlungen lösen diese Überlegungen hier und dort aus?

Bei mir ging und geht das Nachdenken und Ausformulieren weiter: Das Buchkapitel „Social Software zur Steigerung der Produktivität von Wissensarbeitern“ ist geschrieben, und demnächst will ich hier im Blog auch festhalten, wie ich den Aspekt „eCompetence 2.0“ sehe – und keine Sorge, dieses Schlagwort kommt in den Ausführungen dazu gar nicht vor!

Mobile Tagging mit QR-Codes auf den Jahreswechsel-Grüssen: Die Auflösung

QR-Code Weihnachtskarte 2007QR-Code Neues Jahr 2008

Die Quick-Response-Codes (QR-Codes) zählt Chip Online zu den Techniktrends des Jahres 2008. Quick Response Codes sind in Japan Alltag, hierzulande sieht man sie erst allmählich, vielleicht als Kunde der SBB, die damit experimentiert, oder wer mit dem PostAuto fährt. Man spricht von Mobile Tagging, weil diese Codes im Prinzip wie ein aufgedruckter 2D-Barcode funktionieren; mit dem Handy-Auge als Scanner wird der Code gelesen und die hinterlegten Informationen abgerufen. Z.B. kann man so eine Website abrufen, ohne lange eine Adresse eintippen zu müssen.

Weihnachtskarte 2007Die oben abgebildeten QR-Codes zierten meine Grusskarten für letzte Weihnachten und die Grüsse zum Jahreswechsel, die auch auf diesen Business20-Blog aufmerksam machten. Die QR-Codes waren als Test gedacht, welche Reaktionen wohl kommen. Von etwa hundert Adressaten, denen ich die Karte mit handschriftlichen Zeilen, aber ohne ein Wort zu den Codes zu verlieren, geschickt habe, hat sich keine einzige Person dazu geäussert. Nur einer meiner Studenten, der die Karte zufällig sah, erkundigte sich, was das zu bedeuten habe. Das heisst, entweder kennt es jeder oder fast keiner. Fazit, das Experiment mit Quick-Response-Codes blieb ohne Response. Doch falls jemand wieder einmal so ein komisches „Ding“ sieht, sorgt der Wiedererkennungseffekt vielleicht dafür, dass die Reizschwelle ereicht ist und die Person wissen will, was es damit auf sich hat, und eigene Ideen entwickelt, geschäftliche natürlich am besten.  Code-Generator und Reader gibt es übrigens bei Kaywa.

Und hier noch die Auflösung zu oben:

  • Geruhsame Tage zwischen den Jahren und alles Gute für 2008, wünscht Ihnen Andrea Back. Schauen Sie mal rein: www.BackonTheFuture.com
  • Ihnen ein 2.0-dynamisches Neues Jahr, möge Ihnen das Glück immer dahin vorauseilen, wo Sie es suchen

Web 2.0 Einfachheit: Steht überall drauf, ist aber nicht überall drin

Einfach, benutzungsfreundlich und niegrige Einstiegsbarrieren, das wird meist als selbstverständliche Eigenschaft angenommen, wenn von Web-2.0 und Social Software die Rede ist.

Mir kamen jedoch Zweifel, ob das zur Definition von Social Software in Unternehmen dazu gehören sollte (bin gerade bei der Überarbeitung des Abschnitts „Begriffsverständnis“ für das bald erscheinende Buch Web 2.0 in der Unternehmenspraxis). Ich habe es weggelassen. Denn es steht zwar sozusagen überall drauf, weil man annimmt, es läge in der Natur von Web-2.0-Anwendungen, aber bei näherem Hinsehen ist es eben doch nicht überall drin. Haben Sie auch diese Erfahrung gemacht? Zwei von den Mitautoren des Buchs, Prof. Dr. Michael Koch und Karsten Ehms, haben mich in dieser Aussage soweit bestätigt, dass es mir einen Blogpost wert erschien.

In der Praxis zeigt sich, dass keineswegs alle Anwender z.B. Wikis – trotz Wysiwyg-Editoren – leicht zu bedienen finden. Und bestimmt geht es vielen wie mir, dass auch eine psychologische Einstiegsbarriere zu überwinden ist: Einen halben Tag habe ich bereits darauf verwendet, meinen Vorsatz umzusetzen, den Wikipedia-Artikel „Social Software“ zu ergänzen. Wie das geht und wie man sich benimmt, das hatte ich mir in der Lesezeit schon angeeignet, nur fühlt es sich so an, als würde man in ein besetztes Territorium der bisher aktiven Autoren eindringen, und von dieser „Metapher“ durchdrungen, habe ich den Mut dann doch nicht aufgebracht, in die Tasten zu greifen – obwohl es ja die Diskussionsseiten gibt.

Und noch ein Beispiel für Blogs, die als viel einfacher gelten im Vergleich zu Wikis. Wenn Sie den Entwicklungsstand meines Blogdesigns im Hinblick auf technische Features betrachten, stellen Sie fest, dass selbst ein williger und beinahe Power-User eine ausgedehnte Lernkurve zu nehmen hat, um auf der Höhe der Kunst zu sein. Nie wieder werde ich mit gleicher Inbrunst meinen Studierenden sagen, Bloggen sei soooo einfach.

Der Usability-Experte Nielsen mahnt in „Web 2.0 Can Be Dangerous …„, dass man mit zu vielen technischen Web-2.0-Elementen des Guten auch zu viel tun kann. Wenn man sich mit Web-basierten Oberflächen in Richtung der Komplexität von herkömmlichen Geschäftsapplikationen bewegt, dann nimmt man genau das weg, womit Weboberflächen in der Breite so erfolgreich geworden sind, mit ihrer Einfachheit durch wenige Design- und Bedienkonzepte.

Niedrige Einstiegsbarrieren sind schon gegeben, wenn man auf einen extern gehosteten Webdienst zugreifen kann, der auch noch lizenzfrei ist. Beim Einsatz im Unternehmen gibt es aber Sicherheitsinteressen und rechtliche Vorgaben zu bedenken, so dass eine Balance zwischen freier und kontrollierter Nutzung gefunden werden muss. Wenn langwierige Abstimmungen mit IT-Bereichen, die Installation zusätzlicher Arbeitsplatzsoftware oder formelle Schulungsmassnahmen notwendig sind, behindert dies das Mitmachen im „Mitmach-Web“. So niedrig, wie man es von der privaten Nutzung einiger Web-2.0-Dienste kennt, sind die Einstiegsbarrieren – gerade im Unternehmen – dann doch nicht.

Top-Weblogs – Die Plätze sind nicht fest abonniert (Top-Blogs an Open Garden?)

Hier wieder einmal ein Beleg für den Fingerzeig, der im Schlagwort „2.0“ steckt: Glauben Sie nicht mehr, was sie bisher dachten.
Du und Wagner haben drei Monate lang die Entwicklung der Ranking-Position von über hundert erfolgreichen Blogs verfolgt. Nach Rangposition und Veränderung kommen sie zu der hier im Bild wiedergegebenen Einteilung (Quelle: Helen S. Du, Christian Wagner: Weblog success: Exploring the role of technology. Intl. Journal of Human-Computer Studies 64 (2006) 789 – 798; Fig. p. 793, Download).
Du, H.S.; Wagner, C.: Weblog success: Exploring …, ijhcs 2006

Eine interessante Beobachtung daraus ist (p. 793): „This result indicates two issues, namely that transition between high and middle popularity is more likely than might be assumed, and that it is easier to lose popularity than to gain it. Within our sample, 58% of weblogs remained on the A-list for the entire time, while 42% moved in and out of the list. This is different from the conventional wisdom which states that weblog popularity remains highly stable„. „Thus breaking into the top-100 is possible, even if the power-law suggests otherwise.“ (Hervorhebung durch die Autorin.)
Heute sprach ich mit Frau Du, ob sich diese Beobachtung auch in ihren weiteren Untersuchungen zeigt, und ja, sie bestätigt das. Das heisst, die Top-Blogs besetzen nicht ein Territorium wie Platzhirsche, gegen deren „Brand-Power“ wie gegen ein Gewohnheitsrecht kaum anzukommen ist. Betrachten Sie also die Bestenlisten nicht als „Walled Gardens“. Nein, die Blogosphäre ist das Reich der „Open Gardens“.