Web 2.0 Einfachheit: Steht überall drauf, ist aber nicht überall drin

Einfach, benutzungsfreundlich und niegrige Einstiegsbarrieren, das wird meist als selbstverständliche Eigenschaft angenommen, wenn von Web-2.0 und Social Software die Rede ist.

Mir kamen jedoch Zweifel, ob das zur Definition von Social Software in Unternehmen dazu gehören sollte (bin gerade bei der Überarbeitung des Abschnitts „Begriffsverständnis“ für das bald erscheinende Buch Web 2.0 in der Unternehmenspraxis). Ich habe es weggelassen. Denn es steht zwar sozusagen überall drauf, weil man annimmt, es läge in der Natur von Web-2.0-Anwendungen, aber bei näherem Hinsehen ist es eben doch nicht überall drin. Haben Sie auch diese Erfahrung gemacht? Zwei von den Mitautoren des Buchs, Prof. Dr. Michael Koch und Karsten Ehms, haben mich in dieser Aussage soweit bestätigt, dass es mir einen Blogpost wert erschien.

In der Praxis zeigt sich, dass keineswegs alle Anwender z.B. Wikis – trotz Wysiwyg-Editoren – leicht zu bedienen finden. Und bestimmt geht es vielen wie mir, dass auch eine psychologische Einstiegsbarriere zu überwinden ist: Einen halben Tag habe ich bereits darauf verwendet, meinen Vorsatz umzusetzen, den Wikipedia-Artikel „Social Software“ zu ergänzen. Wie das geht und wie man sich benimmt, das hatte ich mir in der Lesezeit schon angeeignet, nur fühlt es sich so an, als würde man in ein besetztes Territorium der bisher aktiven Autoren eindringen, und von dieser „Metapher“ durchdrungen, habe ich den Mut dann doch nicht aufgebracht, in die Tasten zu greifen – obwohl es ja die Diskussionsseiten gibt.

Und noch ein Beispiel für Blogs, die als viel einfacher gelten im Vergleich zu Wikis. Wenn Sie den Entwicklungsstand meines Blogdesigns im Hinblick auf technische Features betrachten, stellen Sie fest, dass selbst ein williger und beinahe Power-User eine ausgedehnte Lernkurve zu nehmen hat, um auf der Höhe der Kunst zu sein. Nie wieder werde ich mit gleicher Inbrunst meinen Studierenden sagen, Bloggen sei soooo einfach.

Der Usability-Experte Nielsen mahnt in „Web 2.0 Can Be Dangerous …„, dass man mit zu vielen technischen Web-2.0-Elementen des Guten auch zu viel tun kann. Wenn man sich mit Web-basierten Oberflächen in Richtung der Komplexität von herkömmlichen Geschäftsapplikationen bewegt, dann nimmt man genau das weg, womit Weboberflächen in der Breite so erfolgreich geworden sind, mit ihrer Einfachheit durch wenige Design- und Bedienkonzepte.

Niedrige Einstiegsbarrieren sind schon gegeben, wenn man auf einen extern gehosteten Webdienst zugreifen kann, der auch noch lizenzfrei ist. Beim Einsatz im Unternehmen gibt es aber Sicherheitsinteressen und rechtliche Vorgaben zu bedenken, so dass eine Balance zwischen freier und kontrollierter Nutzung gefunden werden muss. Wenn langwierige Abstimmungen mit IT-Bereichen, die Installation zusätzlicher Arbeitsplatzsoftware oder formelle Schulungsmassnahmen notwendig sind, behindert dies das Mitmachen im „Mitmach-Web“. So niedrig, wie man es von der privaten Nutzung einiger Web-2.0-Dienste kennt, sind die Einstiegsbarrieren – gerade im Unternehmen – dann doch nicht.

3 Kommentare zu diesem Artikel


  1. dfn schrieb:

    Hallo,

    bin hier gerade zufällig gelandet, möchte im Vorbeigehen aber doch hinterlassen, dass mir das Design Ihres Blogs gut gefällt – ist puristisch dabei aber schmuck und übersichtlich !

    viele grüße !

  2. Andrea Back schrieb:

    Grüsse zurück, nach einem Vorbeigeh-Spaziergang in Ihrem Blog. Finde ich eindrücklich, was Sie hier http://decalcification.wordpress.com/warum-dieser-name/ über die Namensgebung sagen (besonders die erstrebenswerten Tugenden: Großmut, Demut, Barmherzigkeit, Geduld, Leidensfähigkeit, Freude, Ausdauer und eine all das umrahmende “innerirdische Entspanntheit”).
    Und zum Blogdesign, ja es ist eher ungewollt so einfach, denn die Entwicklungsphase zu einer höheren Stufe des technisch Zeitgemässen nimmt einfach längere Zeit in Anspruch. Aber aus Ihrerm Kommentar lese ich, dass hier aus der Not eine Tugend wurde, und verhelfe mir somit zu „innerirdischer Entspanntheit“. Danke

  3. dfn schrieb:

    Hallo !

    Zum Fastjahrestag des ursprünglichen Kommentars komme ich aufgrund Suchexperimenten mit „bing“ wieder hier vorbei und nutze die Gelegenheit, um einmal Danke für Ihr nettes Feedback zu sagen. Hat mich gefreut zu lesen, dass meine Gedanken/Ideen bei Ihnen auf Resonanz stießen.
    Und wie ich sehe, hält die „innerirdische Entspanntheit“ hinsichtlich des Blogdesigns auch noch an :-)

    Alles Gute !

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