Zur Task-Tool-Fit-Frage: Von der „Armut“ der Media-Richness-Theory

In unseren Business-2.0-Forschungsprojekten haben wir in den vergangenen Monaten (theoretische) Modelle recherchiert und geprüft, die passen und helfen, Empfehlungen dafür abzugeben, welche Softwareunterstützung für welchen Anwendungszweck im Unternehmen (bezogen auf den Bereich Kommunikation, Kooperation und Kollaboration von Wissensarbeitern) geeignet ist. Dabei „probierten“ wir es auch mit der bereits aus den 80er Jahren stammende Media Richness Theory (engl. siehe auch IS-Theories Wiki). Diese geht – vereinfacht gesprochen – davon aus, dass die Wahl eines Medium für die Kommunikation dann effektiv und somit sinnvoll ist, wenn die Reichhaltigkeit des Mediums der Komplexität der zu kommunizierenden Information entspricht. In einem Paper für die American Conference on Information Systems, welches im Herbst dieses Jahres in ausgebauter und überarbeiteter Form auch im International Journal of e-Collaboration erscheinen wird, haben wir darauf aufbauend eine Task-Media-Fit-Matrix entwickelt, in welcher wir auf einer Achse die Reichhaltigkeit des Mediums und auf der anderen die Komplexität der kollaborativen Aufgabe abgebildet haben. Ausgehend von einem im Paper näher beschriebenen Bewertungsschema haben wir dann verschiedene Medien hinsichtlich ihrer Reichhaltigkeit bewertet und in die Matrix eingeordnet. Somit entsteht eine automatische Zuordnung zum unterstützten Komplexitätsgrad der Aufgaben.

Während die letztlich triviale Matrix als theoretisch fundiertes Erklärungsmodell in der Wissenschaft taugen mag (auch wenn es an der Gültigkeit der Media Richness Theory berechtigte Zweifel gibt), ist der praktische Nutzen meines Ermessens nur gegeben, wenn damit auch konkrete Tool-Empfehlungen für bestimmte Aufgaben gegeben werden können. Aber wie bestimme ich die Komplexität einer Aufgabe, an der mehrere Personen beteiligt sind? Handelt es sich um die Summe der individuell von den Beteiligten empfundenen Komplexitäten oder etwa den daraus resultierenden Durchschnitt? Ist Komplexität überhaupt objektiv messbar? Bis auf welche Granularitätsstufe sollten Aufgaben zur Analyse heruntergebrochen werden? Während die Media Richness Theory hinsichtlich der Bestimmung der Reichhaltigkeit von Medien durchaus brauchbare Hinweise liefert (z.B. Feedback und die Fähigkeit, Emotionen zu transportieren), sind kaum verwertbare Ideen zur Bestimmung der Komplexität der zu unterstützenden Aufgaben enthalten. Meines Ermessens bietet sich hinsichtlich des Entwurfes eines Ansatzes zur Komplexitätsmessung zunächst eine Zerlegung der Aufgaben in die folgenden drei Stufen an:

  1. Aufgaben, die primär Kommunikation (also den reinen Austausch von Informationen zwischen zwei oder mehreren Personen) umfassen
  2. Aufgaben, die überwiegend kooperativ (arbeitsteilige Bewältigung von Teilaufgaben) erledigt werden
  3. Aufgaben, die synchrone oder asynchrone Kollaboration (gemeinsame, sich wechselseitig beeinflussende Bewältigung einer Aufgabe) erfordern

Mit ist dabei klar, dass es sich dabei letztlich auch um eine Aggregation handelt. So umfasst eine kollaborative Aufgabe wohl sehr häufig auch kooperative Teilaufgaben und bei all diesen Aufgaben ist Kommunikation vonnöten. Es stellt sich wiederum die Frage nach dem Granularitätsgrad bei der Betrachtung. Möglich ist natürlich eine Zerlegung bis auf die Ebene der Kommunikation hinab, wie sie in der Media Richness Theory praktiziert wird. Dies ist aus meiner Sicht jedoch wenig praktikabel. Vielmehr muss die Betrachtung direkt auf der Ebene der Kollaboration erfolgen.

Als Indikatoren für den Komplexitätsgrad denkbar wären beispielsweise die Anzahl der beteiligten Akteure und/oder die Häufigkeit der Interaktionen zwischen ihnen. Ein Gedanke, der noch weiterentwickelt werden muss. Für Hinweise auf existierende Ansätze zur Bestimmung der Komplexität kollaborativ zu bewältigender Aufgaben, Kritik oder Vorschläge zur Weiterentwicklung hier in den Kommentaren wäre ich dankbar.

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