Die Mär vom Information Overload als Produktivitätsparadoxon?

Kollege Martin Eppler hat mir einen Forschungsbericht gemailt: Eppler/Mengis: Preparing Messages for Information Overload Environments, March 2009. Ich dachte, den lese ich noch, bevor ich das Tiefen-Editorial zum WissensWert Blogcarnival Nr. 1: Ist Wissensarbeit 2.0 traumhaft oder traumatisch? schreibe. Das ist längst überfällig. Ich habe den Bericht gerade gelesen und komme aufgrund von Selbstbeobachtung, wie ich mit dieser Information „Forschungsbericht“ umgehe zum Schluss: „Da stimmt was nicht mit der Vorstellung, dass zu viel an Information schädlich ist“. Hier dazu nähere Erläuterungen.
Zur Ausgangslage: Ich habe jetzt in der Vorlesungszeit so viele Projekte und Deadlines, dass ich manchmal denke: Bist du eigentlich gänzlich gaga, dass du das so machst, du hättest ja auch die Lehrveranstaltungen machen können wie letztes Jahr? Ist ja fast alles selbst eingebrockt!
Zur Selbstbeobachtung des Leseprozesses (um es vorwegzunehmen: „Multipurpose Action-oriented Reading“ genannt):
Man könnte meinen, dass die effektivste Art diese Studie zu lesen ist, sich zusammenfassende Notizen zum Thema Information Overload zu machen, also die Inhalte zu lernen. Aber was mache ich da eigentlich? Das da:

  • Das Berichts-Format gefällt mir, so dass ich meiner Assistentin sagen werde, dies und das Element hätte ich gerne für das Layout unserer Calameo-Reports, die noch zu altbacken und ungeeignet für das Online-Medium daher kommen.
  • An Martin Eppler möchte ich meine Kommentare schreiben: Danke, Zustimmung, Ergänzungen, Fragen, Widerspruch. Nicht per Mail, am liebsten gleich als öffentlichen Blogpost, dann können andere gleich mitdiskutieren; schliesslich schreiben er und Mengis ja selbst, dass effektiv kommuniziert wird, wenn man alle Beteiligten in ein Gespräch über die Inhalte vewickelt (z.B. S. 7). Aber ob die Studie frei zugänglich ist? Ja, prima – ist sie: hier.
  • Vielleicht finde ich auch was, das ich in einem meiner zukünftigen Vorträge gebrauchen kann. Ist aber in dem Fall nicht so, da nicht untersucht wird, wie die informationstechnischen Werkzeuge den Information Overload erzeugen und/oder handhaben helfen.
  • Die Empfehlungen für effektive Kommunikation helfen mir enorm, das Moderationsformat für meine geplanten „Competence Networks“ zu verfeinern und in einer Informationsbroschüre zu erklären, was das Besondere daran ist. Ich weiss also, die Aussagen auf meine Lebenswelt anzuwenden.
  • Meine Studierendengruppe, die an einem Projekt „E-Learning und Kunst“ arbeitet, das die Strategiekommunikation eines Unternehmens verbessern soll, werde ich auf einige ausgwählte Seiten hinweisen bei denen es um andere unkonventionelle Formen der Strategiekommunikation geht, die ihnen vermutlich noch Anregungen liefern.
  • Und schliesslich ist da noch eine Quelle genannt, eine andere Untersuchung, die ich mir für die Weiterentwicklung des Aufsatzes „Group Wisdom Support Systems“ anschauen möchte.

Jetzt könnte man meinen, um das alles weiterzusagen, wäre ich die halbe Nacht beschäftigt. Bin ich aber nicht, denn die Infotools sind doch so flott, dass ich mir das zumute und sicher bin, der Aufwand lohnt die Qualitätsverbesserung der anderen Arbeiten.
Und jetzt zur vermuteten Informationsüberlastung. Allein die  Tatsache, dass ich so viele Vorhaben gleichzeitig laufen und deshalb so viele Interessen habe, bewirkt, dass ich erstens diesen Text sehr genau und konzentriert gelesen habe und zweitens daraus mehrere „Action Items“ ableiten konnte. Zudem werde ich das, was ich gelesen habe, viel besser behalten können. Also, ohne annähernden Overload hätte ich die 50 Seiten nie und nimmer so produktiv lesen können. Ist das dann nicht eine Mär, das mit dem Information Overload? Oder ist meine Argumentation eine „Milchmädchenrechnung“ ? Was sagen Sie?

Update: Der Bericht Eppler/Mengis in voller Länge ist käuflich zu erwerben.

5 Kommentare zu diesem Artikel


  1. Jochen Robes schrieb:

    Die ersten sechs Seiten von M.Eppler machen neugierig. Gibt es denn auch das komplette Dokument irgendwo zur Ansicht bzw. zum Download? Dein zweites Sternchen lässt zumindest hoffen.
    Gruß, JR

  2. Andrea Back schrieb:

    Ich realisiere jetzt, dass das pdf nur die ersten sechs Seiten öffentlich macht. Ich werde Prof. M. Eppler auf diese Anfrage aufmerksam machen.

  3. martin lindner schrieb:

    diese erfahrung ist sehr gut beschrieben! genau auf den punkt. ersetzt 20 längliche reflexionen über „zuviel information“. wir sollten viel mehr diese art von selbsterfahrungs-notizen schreiben.

  4. Lore Reß schrieb:

    J-ein: die beschriebene Vorgehensweise ist hervorragend und bringt sehr viel. Aber es gehört auch eine Portion Selbstdisziplin dazu, sich beim abarbeiten der „Action Items“ nicht schon wieder durch ein dabei aufgelesenes Thema ablenken zu lassen – wie gerade bei mir geschehen :-)

  5. SharonLARSEN32 schrieb:

    It’s well known that money makes us autonomous. But how to act if someone does not have cash? The only one way is to try to get the loans or secured loan.

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