Die dunklen Seiten von Web 2.0 – Podiumsdiskussion I-KNOW’09

Auf der Konferenz I-KNOW’09 ging es im Praxisforum in der Podiumsdiskussion „Professors4Industry“ um die Dunklen Seiten des Wissensmanagements und des Web 2.0. Hier sei kurz festgehalten, welche Themen angesprochen wurden, und da ich als eine von Vieren beteiligt war, skizziert der Blogpost auch die Gedanken, die ich mir im Vorfeld dazu gemacht habe.

Dunkle Gestalten mit Schutzengel
 
Angesprochene Themen: Die Dunklen Seiten
Zur Sprache kamen in Beiträgen aus dem Publikum und vor allem in Statements von Prof. H. Maurer:

– Die Macht, die Diensteprovider durch die schiere Menge und Verknüpfbarkeit der Daten gewinnen („Google als die grösste Detektei, die es je gab“)
– Beispielsweise die unlautere Verwendung der „Collective Intelligence“, d.h. der Einsichten aus den verknüpften Daten (z.B. Aktien-Insider-Geschäfte)
– Die Manipulation durch Suchmaschinenbetreiber aus Geschäftsinteresse (z.B. was als erste Suchergebnisse erscheint)

– Die Frage der Qualität der von Nutzern generierten Inhalte („Kultur der Mittelmässigkeit“, „Zeitalter der Stümper“, Wikipediots“ als Kehrseite der „Weisheit der Massen“)
– Die Unauslöschlichkeit des „Digital Footprint“, den die im Web aktiven Personen hinterlassen
– Das Thema „Cybermobbing“, d.h. die personenbezogenen und insbesondere rufschädigenden Daten, die Benuzter (meist anonym) hinterlassen
– Ärgernisse wie die Belästigung durch personalisierte unerwünschte Werbeansprache und Ähnliches aufgrund von Daten aus dem „Digital Footprint“
– Die Frage, ob die personalisierte Zusammenstellung von Informationen zur Einengung des Wissenshorizonts führt
– Die menschenrechts-verletzende Nutzung der Datenmacht durch staatliche Autoritäten, insbesondere politische Verfolgung
– Die „Zerstörende Innovation“, d.h. der Niedergang etablierter Produkte und Dienstleistungen, von Berufsständen und Märkten (z.B. traditionelle Enzyklopädien)
– Negative Auswirkungen auf das Lernverhalten und das sinkende Niveau bei den Lese-/Schreibkompetenzen (z.B. „Cut&Paste-Kultur“)
 
Was ich für die „Bright Side“ zur Sprache bringen wollte

– Zunächst, ja: Die Relevanz des Themas, die Dunklen Seiten im Auge zu behalten, ist hoch, denn durch weitere Entwicklungen werden die oben genannten Besorgnisse noch bedeutender. Zum Web 2.0, der offenen Content-Datenbank, kommen noch das Cloud-Computing hinzu, das noch mehr Inhalte ins Netz bringt, das Mobile Web 2.0 erweitert das Metadatenset und die Datenkommunikation, und Sensor Networks und das „Internet of Things“ bringen eine Vielfalt von mit dem Web kommunizierenden Devices. Besonderen Zugang zu persönlichen Daten und „Collective Intelligence“ haben dann nicht nur Suchmaschinenbetreiber, sondern die Hosting-Anbieter und Telecomprovider i.w.S.

Aber ist das Anlass, eine bevorstehende Web-Apokalypse zu beschwören? Zur Sensibilisierung für die Bedeutung und die Versprechen der „Bright Side“ fielen mir diese Argumente ein:

– Die Anliegen der Nutzer, ihre persönlichen Daten zu schützen, Anonymität der Daten zu sichern und die Kontrolle über ihre Daten zu behalten, sind nicht nur ein Auftrag für die Anpassung der Rechtsgrundlagen, sondern auch Basis für Dienstleistungen, die sich deshalb am Markt etablieren können. Forschungsprojekte nehmen sich diesen Themen an, z.B. Vendor Relationship Management als Pendant zu Customer Relationship Management.
– Lassen wir uns auf dem 2.0-Weg nicht beirren, wenn die Argumente und die Macht von den „EWIG GESTRIGEN“ kommen.
– Seien wir informiert, damit wir nicht auf die Marketing-Strategien der „ANGSTGEWINNLER“ hereinfallen, die Angst, Ungewissheit und Zweifel säen (Fear-Uncertainty-Doubt-Strategie) zur Einschüchterung und Panikmache.
– Lassen wir den Bright-Side Web-Aktivisten ihre Innovationsenergie. Wenn Unternehmen New Ventures fördern, tun sie das mit unabhängigen Einheiten, damit diese sich nicht mit den Bewahrungskräften der bestehenden Organisation auseinandersetzen müssen. In der asiatischen Kampfkunst, sagte man mir, gäbe es eine Weisheit, sich nicht auf die Burgen des Gegners zu stürzen und daran im Kampf Energie zu verlieren, sondern sich auf das Ziel zu konzentrieren. (Einige Leser können das bestimmt genauer formulieren). Das wäre als würde die Lebensenergie den „DARK-SIDE-VAMPIREN“ zufallen.

Nun, das schien mir Stoff und geeigneter Stil für eine kontroverse Podiumsdiskussion. Mein persönliches Schlusswort dazu: „Mir ist bang vor der Web-2.0-Zukunft, aber ich habe keine Angst.“ Angst lähmt nämlich, „Angst essen Innovationsenergie auf“, während Bangigkeit die freudige Anspannung vor etwas Unbekanntem ausdrückt. Oder, um es bildlich mit dem eingebundenen Foto zu sagen: Der Schutzengel überragt die Dunklen Gestalten.
 

4 Kommentare zu diesem Artikel


  1. Marcel schrieb:

    Angst wäre auch wenig produktiv, da es sich um eine Entwicklung mit einer gewissen Unabwendbarkeit handelt. Dann lieber als Chance begreifen und das beste draus machen…

  2. alexander reyss schrieb:

    Ein sehr interessanter Artikel, der wieder einmal zeigt, was sich so alles tut im World Wide Web.

    Ich bin auch der Meinung, dass durch die neuesten Entwicklungen mehr Chancen enstehen, als Risiken.

    Es kommt eben auf den Standpunkt und die eigene Motivation an.

  3. Meinrad Rombach schrieb:

    Die Existenz solch dunkler Seiten kann man kaum bestreiten, der Ängstliche bleibt stehn und übt allein das Wegschaun. Weglaufen hingegen empfiehlt das 36. Strategem des Tan Daoji im Falle aussichtsloser Lage, und so ist das Erkennen und Umgehen wirklich schlechter Orte auch im Netz ein guter Stil. Was das Bekämpfen starker Gegner angeht, sei hier das 15. zitiert, das lautet: „Auf dem Berge ist der Tiger mächtig, sein Gegner ist es am heimatlichen Ort. Im Flachland lässt der Tiger sich umzingeln und besiegen, der Gegner ist auf fremdem Territorium geschwächt“.

    Ich glaube, dass gerade die mit Lernen im Netz besonders Befassten die beste Chance haben, den Tiger ins Tal zu locken und das Wissen um die Existenz der dunklen Seiten den Menschen aushaltbar zu zeigen zusammen mit dem Kampfrezept, wie das Umzingeln funktioniert. Im sanften Stil des Tai Chi Chuan steht dafür die Figur „Den Tiger umarmen und zum Berge zurückkehren“. Machen wir es vom fremden zu unserem Territorium, kaum Mehraufwand als dauernd weg zu schauen.

  4. Andrea Back schrieb:

    Danke, Meinrad Rombach, für diese Hinweise auf „Strategems“. Das hilft mir, gezielter zu suchen, wenn ich wieder Analaogien zu Kampfkunst-Weisheiten suche. Dass Wegschauen energieaufwendiger sein kann, als Hinschauen (auf das, wovor man Angst hat) ist, finde ich einen wertvollen Hinweis. Mir gefiel schon immer dieser Sinnspruch „The best way out is right through“.

Schreiben Sie einen Kommentar