Meine spannendste Tagung der letzten Monate: Auf gestrandeter Trainings-Arche

Grafikloge WissensWertIn der Ausgabe 11. des WissensWert Blog Carnival fragt Jochen Robes, welches die spannendste Tagung in den letzten Monaten war.

Ich wusste meine Antwort sofort: Es war die SCOPE‘ 09 im September in Wedel. Die war im übrigen kein Barcamp (siehe WissensWert Blog Carnival Ausgabe 8: Edu-Barcamps), was man spontan wegen meinem Interesse an Lern-Themen vermuten könnte. Zur SCOPE’09 hatte  mich Ulrike Reinhard eingeladen, und zwar auf das Segelschiff „Roter Sand“, auf dem dann 23 Leute zusammen kamen. Die Wirkung der „Architektur“ des Tagungsortes fand ich äusserst spanned: Es brauchte nicht zahlreiche Gruppenarbeitsräume – nein im Gegenteil. Das Schiff bot auf kleinem Raum viele verschiedene Gesprächsorte (klicke diesen Link zum Video, die Szenen nach dem kurzen Digeredo Auftakt). Es war zudem störungsfrei möglich, sich zwischen diesen Gesprächstreffpunkten fliessend zu bewegen, oder auch sich mal auszuklinken. Das ist wie «Open Space» sich anfühlen sollte. Um ein wenig von dieser Atmosphäre in Konferenzsäale und Messehallen zu holen, könnte man ja einmal eine „Trainings Arche“ mitten im  Messe-Meer plazieren.

Dann das web-zwei-nullig Spannende, das mich heute noch fasziniert und mein Weiterdenken beschäftigt, waren die diversen und neuartigen Arbeitsweisen, wie die Gruppen ihre Ergebnisse festhielten. Das ist ein wichtiger Gestaltungsaspekt von „Tagungen“.

Die engen Platzverhältnisse und die an das Kindergeburtstagsspiel „Schokolade-mit-Handschuhen-schneiden-müssen“  erinnernde Einkleidung in Rettungswesten machten es praktisch unmöglich, mit traditionellen Mitteln zu arbeiten: Wie sollte man da Flipchart-Zeichnungen handhaben, Folien für die Präsentation auf einem Overheadprojektor bemalen, und aufwendige PPT-Slides erstellen. Aber ein Notebook oder andere Devices mit Netzanschluss hatten einige dabei, denn das gute alte Schiff war mit W-LAN ausgestattet. Es genügte eine notdürftige Leinwand für die Momente, wo es einen Beamer brauchte. Sie behinderte zwar wie ein Vorhang  den Weg in die Kaffeeküche, dafür gestaltete sich das Geschehen an und um die Leinwand für die Zuschauer abwechslungsreich.

Einer der Teilnehmer, Frank Hamm, machte TV und „streamte“ unsere Tagung in Echtzeit ins Internet. Mit Handy – oder waren es andere Video-Devices? – wurden Videoschnippsel und Statements aufgenommen, nicht nur getwittert #scope09. Und deshalb gibt es auch Fotos, hier in der Diashow zu sehen:

Einzelne (z.B. Frank Roebers, Ulrike Reinhard) machten ihre Mitschrift zur Veranstaltung gleich im persönlichen Blog. Ich selbst folgte wie oft der heissen Spur von neuen Tool-Tipps, die Martin Lindner immer auf Lager hat, und notierte die Arbeitsergebnisse unserer Gruppe ins simultan-kollaborative Wiki Etherpad, d.h. auf eine öffentliche Website. Das fand ich genial, muss ich sagen. Es war nicht allein meine Verantwortung, für die Ergebniskommunikation am nächsten Morgen den Bericht zu schreiben, die Hotelzimmeraufgabe hatten wir alle. Noch bevor ich dann am nächsten Morgen präsentierte – und auch während der Präsentation als eine Diskussion am runden Tisch dazu aufkam – ergänzten, verbesserten und formatierten Mitglieder meiner Gruppe den Text. Das Mitprotokollieren war wie gleichzeitiges Editieren eines Wikipedia-Artikels – und das im Zeitrafferfilm vor aller Augen. Als ich ausgesprochen hatte, war der Text schon weiterentwickelt und ist jetzt immer noch für jeden nachlesbar und verlinkbar, siehe die Site „Clou-Ship Manifesto – Collective Intelligence im Unternehmen verankern„.

Mit einem Schmunzeln halte ich als eines von viel Gelerntem fest: Wenn es darum geht, eine neue Tagungskultur zu schaffen und alte Praktiken über Bord zu werfen, dann ist es manchmal besser, man macht es den Leuten hinsichtlich Platz und Arbeitsmitteln unbequem und legt ihnen Beschränkungen auf. Dann entsteht Energie, sogar so viel, dass es uns gar nicht viel ausmachte, dass das Schiff auf Sandbank lief. Ganz wie der Volksmund schon immer wusste: Not macht erfinderisch, d.h. innovativ: Besonders wenn Web-Innovation mit an Bord sind.

SaaS-ERP wird in KMU zu wenig genutzt: Doktorand Björn Link forscht nach

Das SaaS-ERP-Angebot wird zu wenig wahrgenommen, obwohl sich neue Möglichkeiten der ERP-Einführung für KMU’s eröffnen könnten. Weshalb und welche Probleme insbesondere KMU’s haben, will der Autor erforschen, und erklärt Ihnen näheres hier im Video.

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Björn Link ist selbst langjährig in einem Schweizer KMU tätig und aktuell in einem ERP-Einführungsprojekt beteiligt; im Rahmen seiner Doktorarbeit bei mir in der Forschungsgruppe Business 2.0 sucht er nach Praxispartnern (Nutzer, insbes. KMU’s; ERP-Anbieter; ev. Provider), um deren Interessen und Bedürfnisse in Erfahrung zu bringen, denn daran werden sich seine spezifischen Forschungsfragen ausrichten. Eine Anteilnahme am Forschungsgegenstand ist möglich, ja sogar erwünscht. Bei Interesse bitte melden unter: bjoern.link@student.unisg.ch.

Die einzelnen Fragen, die er als Anregung präzisiert, sind im Video ab ca. Min. 1.40 zu sehen und zu hören.

Long Tail: Das Geschäftsmodell ist eine Nische

In dieser Folge erklärt Jörg Eugster, Geschäftsführer der OPAG Online Promotion AG, am Beispiel des Buch-Vertriebs, was mit „Long Tail“ bei Geschäftsmodellen rund um digitale Produkte gemeint ist. Analog kommt bei Webcams.travel der „Long-Tail“ ganz stark zum Tragen.

  • Ein grosser Teil des Traffic kommt Dank dieses „Long Tail“. Webcams als Suchbegriff ist kein Blockbuster.
  • Der „Long Tail“ ist so gross, wir können theoretisch Millionen Webcams bei uns aufnehmen – nicht nur die relevantesten; das gibt bei digitalen Produkten – wie einem Webcam-Bild – kein Problem. Eine Buchhandlung mit physischen Produkten – im Gegensatz dazu, kann praktisch nur die Umsatzträger im Verkaufsraum haben.

Wir kommen auch auf die Imitierbarkeit des Geschäftsmodells zu sprechen, und ob es eine Rolle gespielt hat, erstes oder nicht unbedingt erstes Webcam-Portal gewesen zu sein (First Mover bzw. Early Mover Advantage).

  • Die Bedrohung durch Kopieren bzw. Imitieren des Geschäftsmodells schätzt Eugster gering ein: Er sagt: Es ist schwer, zusätzlich Nutzen zu schaffen. Die Frage ist ja: «Geht es billiger als gratis?» Wir haben viele Partner – wenn man diesen Webcams anbietet, dann sagen die doch: «Die haben wir ja schon.»
    Auch ist unser Geschäftsmodell eine Nische, nicht wie Musik-Downloads, wo man Millionen verdienen kann.
  • Das Geschäftsmodell wurde damals bei einem Wettbewerb von der Jury nicht verstanden, meint Eugster. Es hiess: «Webcam-Portale gibt es doch schon.» Man muss es aber anders tun und besser tun: Unser USP (Alleinstellungsmerkmal – Unique Selling Proposition) ist, dass die Webcams auf Google Earth und Google Maps zu sehen sind (Web 2.0 Mash-up).
  • Es ist auch wichtig, dass man breit abgestützt ist; das macht die Verbreitung aus. Die API z.B. kann jeder nutzen (u.a. für mobile Apps).

Openness and Architecture of Participation: Ich gebe dir, und du gibst mir

In dieser Episode zu den Web-2.0-Prinzipien geht es um die Beiträge der Internet-Nutzer zum Geschäftsmodell; dies wird in Web-2.0-Terminologie auch Co-Creation oder Peer Production genannt. Diese Nutzerbeiträge machen ja das Web 2.0 erst zum sogenannten Mitmach-Web. In Verbindung damit kommen auch die Facetten von „Openness“, Open Content und Open Source, zur Sprache.

Wie in  Webcams.travel die „Architektur für Partizipation“ gestaltet ist, erläutert Jörg Eugster, Geschäftsführer der OPAG Online Promotion AG, und erzählt viele Beispiele für Erlebnisse mit Usern.

  • Unsere Plattformen sind alle auf Basis von Open Source entwickelt. Wir haben z.B. PHP und mySQL im Einsatz.
  • Beim Content haben wir auch den offenen Ansatz: Jeder – mit kleiner Einschränkung (d.h. es sollten touristisch relevante Webcams sein) – darf seine Webcam bei uns anmelden, und wir geben diese auch weiter an andere Portale.
  • Jede aufzuschaltende Webcam wird geprüft; man möchte ja ausschliessen, dass unseriöse Inhalte platziert werden. Die Gemeinschaft der Nutzer hilft im Qualitätsprozess mit; Besucher der Website können mit einem Klick z.B. anstössige Webcams melden, diese werden dann sofort deaktiviert.
  • Zum Thema aktiv Mitmachen, d.h. Inhalte beitragen, sagt Eugster: Man muss unterscheiden zwischen Bewerten und Kommentare Schreiben. Das Bewerten – mit dem Sternesystem – das wird sehr wenig gemacht. Die Kommentare zu Webcams, das ist im Bereich von wenigen Prozentpunkten. Die Webcam des Eiffelturms hat viele Bemerkungen in verschiedenen Sprachen.
    Wenn sich jemand z.B. damit auseinandersetzt, dass die Übersetzung der Website nicht gut ist, das ist im Promille-Bereich oder noch weniger – aber die haben dann ein sehr hohes Involvement in unsere Seite. Wir hatten einmal jemanden der sagte, die Isländischen Webcams wären alle am völlig falschen Ort platziert; der hat sich die Mühe gemacht, uns zu sämtlichen Kameras mitzuteilen, wo genau der Standort ist. Diese Feedbacks, die wir bekommen von den Leuten, das macht natürlich sehr viel Spass.
  • Das Motiv für Leute, sich ohne Bezahlung zu engagieren, nennt Jörg Eugster – an einem Beispiel eines ganz jungen Übersetzers –  „Streicheleinheiten“: Einmal meldete sich jemand und sagte, die Seite auf Finnisch gäbe es nicht, und er würde das übersetzen, was er auch im Rekordtempo gemacht hat. Dann habe ich beim Chat herausgefunden, das ist ein 11-jähriger Junge in Finnland. Jeder Übersetzer wird von uns genannt, auf der Website heisst es: „Wurde übersetzt von: …“. Der Junge kann jetzt seinen Freunden sagen: Schaut mal, ich habe die Finnische Übersetzung gemacht!
    Jemand anders hat uns die Italienische Übersetzung verbessert; er wollte nur einen Link auf seine Website, und hat dann alle Webcams auf seinem Portal genutzt: Es ist also wie ein Austausch: Ich gebe dir was – du gibst mir was.