Toll ein anderer zahlt – Open Access gibt es nicht ohne Finanzierungsmodell

Als Mitherausgeberin einer wissenschaftlichen Zeitschrift ZEL (Zeitschrift für E-Learning, Lernkultur und Bildungstechnologie), die der Studienverlag in vier Themenheften pro Jahr im Druck produziert und vertreibt, befasse ich mich mit der Frage, wie ein „Open Access„-Modell umgesetzt werden kann. Dass die wissenschaftlichen Artikel entgeltfrei, online und sofort mit ihrem erstmaligen Erscheinen zur Nutzung verfügbar sind, wird als Erwartung an uns Herausgeber herangetragen, teils verbunden mit Enttäuschung oder sogar Entrüstung, dass dies zur Zeit nicht selbstverständlich der Fall ist.

Natürlich ist es erstrebenswert, dass die Nutzung von Bildungsressourcen mit möglichst geringen Barrieren und idealerweise unentgeltlich möglich ist – und wo immer mir das leicht möglich ist, mache ich aktiv mit (meine Blogposts, Präsentationen auf Slideshare, Projektberichte auf Calameo, Wissenscommunities wie WissensWert Blog Carnival u.a.m. sind frei verfügbar).

Hinter jedem Produkt steht jedoch ein Produktionsprozess, der Kosten und Zeitaufwand verursacht – und eine wissenschaftliche Zeitschrift ist nicht kostenlos machbar, selbst wenn die Arbeit von Herausgebern, Autoren und Gutachtern ohnehin schon ohne spezielle Vergütung, „ehrenhalber“ geleistet wird. Kosten müssen durch Erlöse mindestens gedeckt werden, sonst kann das Produkt über kurz oder lang nicht mehr angeboten werden. Wenn die Erlöse nicht von Abonnement-Einnahmen kommen, dann müssen es andere Erlösquellen sein, mir fallen ein: Spenden, Sponsoring, indirektes Sponsoring durch Mischkalkulationen, Werbeeinnahmen, Mitgliedsbeiträge bei Zeitschriften von Fachgemeinschaften, Pay-per-View-Modelle, Einreiche- und Publikationsgebühren für die Autoren. Traditionell übernimmt ein Verlag die unternehmerische Aufgabe und das Risiko, Kosten und Erlöse mindestens zur Deckung zu bringen. Ausserdem steht der Verlag auch für Rechtsfolgen ein, wenn das nicht gelingt; der Verlag ist auch Organisator und Anspruchsgegner in rechtlichen Belangen.

Wenn ein Verlag nun nicht auf das Open Access Modell einsteigen will, wie soll dann der Herausgeberkreis den Leserinnen und Lesern entsprechen, die unentgeltliche Nutzung fordern? Entweder a) man findet einen anderen Verlag,  der in Open Access eine Marktchance sieht, zahlt für die Zeitschrift eine Ablösesumme oder man gründet neu. Vielleicht b) übernimmt man dann selbst das Verlagsgeschäft. Oder c) man beschafft das Geld für den Verlag, damit dieser bereit ist, Open Access zu publizieren, wenn es zu entgangenen Erlösen und Zusatzaufwand kommt. Wer wird unumwunden für b) oder c) votieren, wo die Aufgabe der wissenschaftlichen Herausgeber doch ist, für die Inhalte und deren Qualität besorgt zu sein und sich nicht mit Operativem herumschlagen zu müssen?

Man könnte noch d) hinzufügen, dass die Bedeutung der Openness-Bewegung überhaupt darin zu sehen ist, die Publikation und Kommunikation wissenschaftlicher Erkenntnisse grundlegend zu innovieren, d.h. das Modell wissenschaftlicher Zeitschriften der heutigen Prägung wäre überhaupt in Frage zu stellen. Ja, die Strategiegestaltung und Innovation liegt in der Verantwortung der Herausgeber. Das sei jedoch jetzt noch nicht weiter ausgeführt, denn Auslöser meines Blogposts hier sind nicht eine Fülle von Ideen von Leser/inn/en und Autor/inn/en, was zu verbessern wäre, sondern es ist der Anspruch „entgeltfreie Nutzung“.

Aber nun zu der Kostenstruktur: Eine wissenschaftliche Zeitschrift ist ein Produkt, hinter dem ein recht komplizierter Wertschöpfungsprozess steht, an dem mehr Beteiligte mitwirken als man auf den ersten Blick denkt. Die nicht eigens vergüteten Organisationsleistungen der Herausgeber für die Zeitschrift sind beträchtlich. Weiterhin durchläuft jeder einzelne – auch nicht-veröffentlichte – Artikel einen arbeitsaufwendigen ebenfalls ohne separate Vergütung erbrachten Veredelungsprozess (Verfassen der Beiträge – Auswahlprozess unter Einreichungen von Abstracts – Begutachtung i.V.m. Verbesserungshinweisen durch mehrere Personen – Sichtung der überarbeiteten Version und schliesslich das Management eines Heftprojekts als solches); wissenschaftliche Artikel sind also nicht damit vergleichbar, einen Blog-Post zu schreiben oder Vortragsunterlagen auf einer offenen Plattform verfügbar zu machen. Es gibt bezahlte Dienstleistungen in diesem Prozess (Website/Webplattform betreuen, redaktionelle Überarbeitung der Beiträge inkl. ansprechendes Layout, Marketing für die Zeitschrift, allg. Sekretariatsarbeiten und Reisespesen), die dazu führen, dass man im Fall von Autorengebühren-Modellen kalkuliert, dass ein Artikel einige wenige Hundert bis 2000 EUR kosten müsste. Das klingt nach nicht viel Zusatzaufwand für die Herausgeber, dies auch noch zu besorgen. In der Praxis heisst dies aber oft, man muss zum einen an der eigenen Hochschule Zusatz-Budgets für diese Dienstleistungen heraushandeln und zum anderen Anerkennung für diesen Zeitaufwand gewinnen, denn der Druck auf Hochschullehrer, die Zeit in eigene Journalpublikationen und Forschungsmittel-Akquise zu investieren führt zu um die Zeitressourcen stark konkurrenzierenden Anforderungen.

Mein Stand des Denkens: Verlage und Herausgeber müssen mit der Zeit gehen und auch mal experimentieren, um Systemveränderungen einzuleiten; aber sie sollen auch nichts überstürzen, insbesondere nicht die kaufmännische Sorgfalt ausser Acht lassen. Sonst geht die Zeitschriftenkrise bei den Printpublikationen nahtlos in eine Open-Access-Zeitschriftenkrise über. Solange das Konzept „Open Access“ hauptsächlich im Sinn von  „toll ein anderer zahlt und macht“  (Anm. Team-Arbeit wird spöttisch oft als toll-ein-anderer-machts interpretiert) gefordert wird und nicht so verstanden wird, dass ein komplexes Gefüge wie das wissenschaftliche Publikationswesens, inklusive dessen Rolle in der Qualifizierung für wissenschaftliche Karrieren, zeitgemäss und stimmig neu gestaltet werden muss, bevorzuge ich, schrittweise, mit Bedacht und mit kaufmännischer Vorsicht vorzugehen. Schrittweise, weil ich David Wileys Artikel „Defining Open“ auf seinem Blog „iterating toward openness – pragmatism over zeal“ zustimme, dass Openness nicht heisst, entweder offen oder geschlossen, sondern es sich so verhält wie bei einer Türe, die mehr oder weniger offen stehen kann. Auch kann man eine Entwicklung beobachten, dass in der Wissenschaft besondere Leistungen separat vergütet werden sollen, so dass die „unentgeltlichen“ Arbeiten in der Organisation des wissenschaftlichen Publizieren vielleicht zurückgehen werden. Und schliesslich wird das Prinzip der kaufmännischen Vorsicht aus meiner betriebswirtschaftlichen Ausbildung meiner Überzeugung nach auch im Zeitalter des Offenen Internet noch gelten, auch wenn ich mit dem Beitrag von Google „The Meaning of Openness“ (vom 21.12.09) übereinstimme, in dem es u.a. heisst, dass das MBA-Curriculum neu geschrieben werden würde.

Podiumsdiskussion Bologna-IT-Hochschulentwicklung

Wordle-Cloud aus Artikel von Prof. Dr. R. Dubs, Nov. 09

Der erste Konferenztag der Campus Innovation Hamburg bringt am Abend fünf Personen in der Podiumsrunde zusammen, zu denen auch ich gehöre. Die Moderatoren Igel und Kleimann bitten um Thesen: Drei zur gegenwärtigen Sachlage und drei mit einem Blick nach vorn. Der Beitrag von Informations- und Bildungstechnologien zur Hochschulentwicklung soll nicht aus dem Blick geraten, wozu die aktuellen Studierendenproteste verleiten könnten.

Wenn ich mich von der Protest-Laune der Studierenden anstecken lasse, dann werfe ich einmal aus Sicht einer Professorin meine Unzufriedenheiten in die Waagschale. Meine Universität ist als eine der ersten Hochschulen an die Umsetzung der Blogna-Reform gegangen, und so habe ich den Transformationsprozess durchlebt.
Hier meine drei Thesen und Unzufriedenheiten zum Sachstand Bologna: IT & Hochschulentwicklung:

  • Der IT-Betrieb des reformierten Studiums ist eine bürokratische Belastung, statt dass er im Stillen wie ein Uhrwerk läuft.
    Erfahrungs-Schlaglicht: Die Modularisierung hat nicht zu einer Verringerung der Komplexität in der Abwicklung der Studienprozesse geführt. Z.B. bekomme ich jetzt mindestens eine Aufforderungs- plus ein bis zwei Erinnerungsmails (vor Terminablauf !), meinen Kursbeschrieb termingerecht zu aktualisieren, und das 4-5-fach, da von jedem Studienstufen-Verantwortlichen (Bachelor, Master, Doktorat plus Ergänzungsbereich Handlungskompetenz) und dann nochmals zur Sicherheit vom Leiter des Masterprogramms, in dem ich unterrichte. D.h. 15 Mails gleichen Inhalts – inkl. einer mindestens einseitigen Bedienungsanleitung für das Content-Management-System, deren Anblick allein schon Stress auslöst. Die Mails fühle ich mich genötigt, zu verwalten, d.h. an meine Assistenten weiterzuleiten, denn die Mails landen erst mal bei mir. Davor ging das praktisch ohne Mailaufwand, die verantwortlichen Assistierenden haben eigenverantworlich an „DEN Termin“ gedacht.
  • Das Learning Content Management System ist eine Behinderung in meiner Gestaltungsfreiheit der Lehre auf Microebene (von Freiheit der Lehre als solche kann ohnehin nicht mehr gesprochen werden). Details sind in diesem Beitrag „Das Learning-Management-SYSTEM: Zwangsjacke fürs Lehren und Lernen“ zu finden. Kurz gefasst meine ich damit folgendes: Wie ich manche meiner Kurse didaktisch konzipiere, lässt sich im IT-System nicht abbilden, weil es diese Formate nicht kennt. Es müssen teils Felder im Online-Formular zwangsweise ausgefüllt werden, weil man sonst nicht speichern kann, d.h. man schreibt Unsinn rein, oder man muss unter einer fixen Auswahl einen Option wählen, die gar nicht zu dem passt, was und wie man es eigentlich vorhat (z.B. die Prüfungsform). Dass dies dann den Studierenden gegenüber zu mühsamem Erklärungsbedarf führt, kommt noch hinzu.
  • Die IT-Unterstützung erschwert den Zugang und Übergang zu Innovation: Die e-Learning-Tools da draussen blühen, und die Hochschul-IT-Systeme kommen nicht nach, sich mit diesen Blüten und Früchten auszustaffieren. Dozierende, die von den Früchten naschen, werden gestraft, denn sie müssen dem etablierten System ihre „Opfergaben“ bringen, d.h. Doppelerfassungen machen.

Fazit: Das mit der IT-Unterstützung, den IT-Operations an der Hochschule, kommt mir wie ein Produktivitätsparadoxon vor: Statt die Dozierenden von Routine-Transaktionen zu entlasten und den Kopf frei für die eigentliche inhaltliche Arbeit zu machen, kämpfen wir mit ihr wie gegen eine wuchernde Schlingpflanze.

Thesen Zukunftsvision

Jetzt kommen die Thesen zum Blick in die Zukunft. Wollen wir also einmal träumen. Ich fragte mich, wenn ich mein Dream-Team für Rektorat der Hochschule zusammenstellen würde, wen würde ich wählen?
Mein Dream Team wäre: Steve Jobs (Chef von Apple) – Jimmy Wales (Wikipedia Gründer) – Tim Brown (Ideo CEO). Mit diesem Triumvirat verbinde ich, dass sie Erfolge gegen die herrschende Meinung geschafft haben, der eine aus dem Nichts – und der andere aus einer tiefen Krise heraus, dass sie „Unmögliches“ geschaffen haben: Jobs räumt die „IT, die Technik“ aus dem Weg, verbannt sie aus der Wahrnehmung der Nutzer, und das durch und mit Spitzentechnologie. Wales steht für die Prinzipien „Open“ und „Meritokratie“; er hat ein Wertschöpfungsmodell abseits des Expertenkults entwickelt, dass aus Mass Collaboration Qualitätstexte und -dienste macht. Und Brown mit dem Design Thinking Ansatz  konnte ich in einem Video erklären hören und sehen, wie wichtig für Menschen und ihre Arbeitsergebnisse die Rahmenbedingungen sind, insbesondere die räumliche Umgebung, die Architektur. Könnte mein Unterrichtsraum nur in seinen Büros sein! Ich muss im Moment in einem Baucontainter mit weiss-kalten Wänden, sehr beengt unterrichten und spüre, wie sich dieses Umfeld erstickend auf das Unterrichtsgespräch und die Lerndynamik auswirkt.

Darauf bauen nun die Thesen bzw. Wünsche an die Dream-Team-Hochschulentwickler auf, Leuten aus der IT-Branche wohlgemerkt:

  • Kann Hochschule nicht wie ein App-Store funktionieren? Mit den Dozierenden als offener Entwickler-Community und den Studierenden, die sich die App-Kurse (auch physische) buchen, die ihnen gefallen? Kann die administrative IT von Unis nicht wie die Plattform, der App-Store, funktionieren? Können sich die Unis nicht auf die Aggregatorenrolle fokussieren, sich durch die Konfiguration von empfohlenen App-Kurssets ein Profil geben, Qualität durch Markt und Unternehmertum gewährleisten, und nicht durch Akkreditierungsräte?
  • Können Curricula nicht wie Wiki-Projects entwickelt werden? Und Kursbeschriebe wie Artikel in Wikipedia? Würde kollaborative (Dozierende, Hochschul-Studierende, Arbeitgeber/-nehmer, …) und kontinuierliche Lerninhaltsentwicklung nicht besser zu unserer Zeit passen?
  • Wäre eine wahre Elite-Uni nicht eine, die sich selbst neu erfindet? Das geht erfahrungsgemäss nicht aus den bestehenden Strukturen heraus, sondern die Universitäten müssten Inno-Labs, New Ventures ausgegründen, die mit allen Elementen des Wertschöpfungssystems ganz frei experimentieren können – und dafür Vertrauensvorschuss bekommen, das anerkannten Diplom auch auf diesem Wege verleihen zu dürfen.

So, Zeit jetzt für die Überleitungsbemerkung, die implizit in jedem Blogpost steckt: Seeking YOUR thoughts!

Wie Wissen durchs Auge in die Köpfe gelangt: Storytelling mit Web-Videos

Effektive Wissenskommunikation ist ein Hauptanliegen von 2.0-Anwendungen, auch über Public Relations hinaus, wo Brian Solis den Begriff „The Conversation Prism“ eingeführt hat. Wissensvermittlung via Web-Videos ist ein wachsendes Segment des „Partizipativen Web“; es steht natürlich auch den „Laien-Produzenten“ gut an, sich wie in der Fotographie von den echten Profis etwas abzuschauen. Als Video-Bloggerin im Mitmach-Web bin auch ich am Anfang eines Lernpfads und habe mich deshalb zum Internet-Briefing nach Zürich aufgemacht, wo das Vortragsthema „Videos in Websites: Storytelling, wie aufnehmen und schneiden lockte. Die Kamera war dabei, und Sie sind eingeladen, Ausschnitte mitzuverfolgen, die Herr Rekece, Student in einem meiner Kurse, zusammengestellt hat.

Die Vortragsinhalte von Daniel Niklaus sind auf dem Internet-Briefing-Blog sehr gut dokumentiert, visuell einladend, inhaltlich dicht, und es lohnt sich, den Links zu folgen.

Eine Kiste Barolo als Wetteinsatz für 3D-Welten

Im Juni 2019 steht schon ein Eintrag in meiner Agenda. Dieser geht auf eine Wette zurück, die anlässlich des Alpensalons 2009 (eine zeit- und ortsgemässe Abwandlung dieser Art von Salons) in einem Berggasthaus in hitziger Debatte von drei Medienvisionären abgeschlossen wurde, hier:

Thomas Glatt stellt die These auf, dass in zehn Jahren die 3D-Welt eine dominierende Selbstverständlichkeit ist. Martin Lindner kann sich das so gut vorstellen, dass er sogar Worte dafür findet, dies näher zu beschreiben. Daniel Stoller-Schai stellt sicher, dass er das richtig verstanden hat: „Das soll heissen, in zehn Jahren sind wir hauptsächlich in 3D-Welten unterwegs“. Ganz überraschend kommt von Lindner: „Da halte ich dagegen“. Und so wurde flugs eine Wette daraus: Wenn es in 10 Jahren tatsächlich so ist, dann spendiert Martin Lindner eine Kiste Barolo, mit 12 Flaschen. Und was raten wir ihm? Sollte er schon mal erste Ansparbeträge auf ein Festgeldkonto einzahlen?